Foundation 01: Meine Freunde, die Roboter
Hormonkontrollorgane kann man
menschliches Fleisch sowie Haut über ein Skelett aus
porösem Silikatkunststoff wachsen lassen… wobei Haut und
Fleisch durch äußere Untersuchung nicht als künstlich
hergestellt erkennbar sind. Die Augen und das Haar würden
wirklich menschlich sein und nicht humanoid. Setzt man diesem Wesen
nun ein positronisches Gehirn in den Kopf und andere irgendwie
wünschenswerte oder erforderliche Apparate in den Leib, so hat
man einen humanoiden Robot.«
Quinn sagte kurz: »Wie lange würde es dauern, um so
etwas herzustellen?«
Lanning dachte nach. »Besäße man sämtliche
benötigten Hilfsmaterialien, das heißt also das Gehirn,
das Skelett, die Eierstöcke, die nötigen Hormone und
Strahlungen – sagen wir zwei Monate.«
Der Politiker reckte sich und stand auf. »Dann werden wir
einmal untersuchen, wie die Eingeweide des Herrn Byerley aussehen. Es
wird keine angenehme Publizität für die U.S. Robot Co.
bedeuten, aber ich habe Ihnen ja Ihre Chance gegeben.«
Lanning wandte sich, als sie allein waren, ungeduldig Susan Calvin
zu. »Warum bestehen Sie darauf, zu…«
Sie unterbrach ihn scharf und fast augenblicklich. »Was
wollen Sie haben – die Wahrheit oder meine Abdankung? Ich werde
mich für Sie zu keiner Lüge hergeben. Die Firma kann schon
für sich selber sorgen. Verwandeln Sie sich doch nicht
plötzlich in einen Feigling.«
»Und was geschieht«, sagte Lanning, »wenn er
Byerley öffnet und Räder und Getriebe herausfallen? Was
dann?«
»Er wird Byerley nicht öffnen«, sagte Calvin
verachtungsvoll. »Byerley ist zum mindesten ebenso schlau wie
Quinn.«
Die Neuigkeit wurde eine Woche, ehe Byerley aufgestellt werden
sollte, in der Stadt bekannt. Wurde bekannt, ist eigentlich falsch
ausgedrückt. Die Neuigkeit stolperte in die Stadt, schwankte hin
und her, kroch auf allen vieren. Man begann zu lachen und Witze
wurden gerissen. Dann verstärkte die unsichtbare Hand Quinns
ihren Druck. Nun begann das Lachen gezwungen zu klingen. Ein Element
hohler Unsicherheit machte sich breit. Die Leute verstummten
schließlich und begannen nachzudenken.
Die Zusammenkunft der Wähler selbst machte den Eindruck eines
scheuen Pferdes. Eigentlich hatte man keinen Kampf vorausgesehen.
Eine Woche früher wäre es unmöglich gewesen, einen
anderen Kandidaten aufzustellen als Byerley. Selbst jetzt war kein
Ersatz für ihn da. Man mußte ihn aufstellen, aber man war
völlig verwirrt und unsicher.
Alles wurde eigentlich nur dadurch so schlimm, daß jeder
einzelne hin- und hergerissen wurde zwischen Gefühlen der
Abscheu und Gefühlen der Angst vor der eigenen Dummheit, je
nachdem, ob der Vorwurf sich als richtig oder als falsch erwies.
Am Tage, nachdem Byerley ohne inneren Schwung und Überzeugung
aufgestellt worden war, veröffentlichte endlich eine Zeitung das
Resumé eines Interviews mit Dr. Susan Calvin, »der
weltbekannten Kapazität auf dem Felde der Robotpsychologie und
der Positronik«.
Was folgte, kann man am besten damit beschreiben, daß man
sagt: »Die Hölle brach los.«
Auf etwas Derartiges hatten die Fundamentalisten längst
gewartet. Sie waren keine politische Partei, und sie behaupteten auch
nicht, eine formale Religion darzustellen. Im Grunde setzten sie sich
aus solchen Leuten zusammen, die sich dem, was man früher einmal
das Atomzeitalter nannte, als die Atome noch Neuheiten waren, nicht
hatten anpassen können. In Wirklichkeit waren sie Menschen, die
ein einfaches Leben wollten, sich nach einem Leben sehnten, das
denjenigen, die es früher einmal gelebt hatten, vermutlich gar
nicht so einfach vorgekommen war, weshalb wohl auch diese wiederum
sich nach einem einfachen Leben gesehnt hatten.
Die Fundamentalisten brauchten keine neuen Gründe, um Robots
und Robothersteller zu verabscheuen. Ein Anlaß aber wie die
Anklage Quinns und die Analyse Calvins brachte sie dazu, ihre
Einstellung recht hörbar werden zu lassen.
Die ungeheure Fabrikanlage der U.S. Robot Co. wurde Tag und Nacht
von bewaffnetem Werkschutz überwacht. Die Firma bereitete sich
auf einen richtigen Krieg vor.
Natürlich traten alle anderen Ziele dieser Wahlkampagne in
den Hintergrund. Überhaupt hatte diese Zeit nur insoweit
Ähnlichkeit mit einem Wahlkampf, als sie eben zwischen der
Aufstellung des Kandidaten und der schließlichen Wahl lag.
Stephen Byerley ließ sich von dem umständlichen kleinen
Mann nicht ablenken, noch ließ er sich in irgendeiner Weise von
den Uniformen im Hintergrund beirren.
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