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Frag die Karten

Frag die Karten

Titel: Frag die Karten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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sind Sie ins Bürstengeschäft eingestiegen?«
    Clemente grinste breit. »Ich habe
Psychologie studiert und habe danach einige Zeit als Parasit auf
Regierungskosten gelebt. Während meines Studiums habe ich nebenberuflich als
Wachmann in einem Gefängnis gearbeitet. In den fünfzehn Jahren seit damals habe
ich ein offenes Gefängnis geleitet und Programme ausgearbeitet, um Sträflinge
zu beraten, die auf Bewährung entlassen worden sind. Als das Blindenzentrum
gegründet wurde, habe ich die Chance ergriffen, die Kriminellen und ihre
Betreuung loszuwerden.«
    »Das kann ich verstehen. Ich habe nicht
sehr oft mit Kriminellen zu tun, aber viele von denen, die ich kennengelernt
habe, sind doch ziemlich zwielichtige Gestalten...» Meine Aufmerksamkeit wurde
auf die Tür hinter Clemente gelenkt, durch die Linnea die Kneipe betrat. »Oh,
da kommt meine Freundin!« Ich winkte ihr und bat sie, an unseren Tisch zu
kommen.
    Linnea winkte zurück und kam auf
unseren Tisch zu. Sie trug Jeans und eine Wildlederjacke, die ihre schlanke,
zierliche Figur unterstrich. Ihr weizenblondes Haar war offen und umrahmte ihr
Gesicht, das gebräunt war von der kalifornischen Sonne, die sie über alles
liebte.
    Ich stellte die beiden vor, und Linnea
setzte sich zu uns und bestellte einen Cocktail, nachdem Clemente sie zu einem
Drink eingeladen hatte. »He, das ist fabelhaft«, sagte sie zu mir. »Du warst
nicht im Apartment, als ich vom Einkaufen zurückkam, also bin ich
hinübergegangen in den Laden, aber Mr. Moe hat mir gesagt, daß du schon wieder
weg bist. Keine schlechte Detektivarbeit für einen Amateur, oder?«
    »Sehr gut.« Linnea war nüchtern und
offensichtlich in ihrem manischen Stadium. Sie strahlte und unterstrich ihre
Worte mit ausdrucksvollen Gesten, wobei die vielen Ringe an ihren Fingern
funkelten.
    Clemente setzte sich aufrecht hin und
betrachtete sie mit sichtlichem Interesse.
    »Na ja, ich habe eben die
Detektivarbeit bei einer Meisterin ihres Fachs studiert«, erwiderte Linnea und
lächelte mich freundlich an, sie hatte offenbar unsere Auseinandersetzung am
Telefon vergessen.
    »Du warst auch einkaufen?« fragte ich.
    »Lebensmittel und Zeug zum Putzen. Es
ist dringend nötig. Deine Wohnung sieht fürchterlich aus.« Und zu Clemente
gewandt, fügte sie hinzu: »Ich wohne bei Sharon, wissen Sie, und es ist mir
gelungen, Ihr Apartment in ein Chaos zu verwandeln. Ich weiß auch nicht, warum
ich so schlampig bin...« Sie lächelte ein wenig hilflos dazu.
    Clemente erwiderte das Lächeln und war
offenbar von ihr bezaubert.
    Ich betrachtete die beiden
nachdenklich. Vielleicht wäre eine neue romantische Bindung sehr heilsam für
Linnea.
    »Ach«, sagte Clemente jetzt, »Sie
wohnen ja dort drüben.« Dabei deutete er in Richtung meines Hauses. »Kannten
Sie die Frau, die dort umgebracht worden ist?«
    Linnea nickte, und ihre Augen waren
weit geöffnet. »Und Sie?«
    »O ja. Ihr Mann arbeitet im
Blindenzentrum. Genau gesagt, es war Mrs. Antonio, die ihn bei uns
untergebracht hat.«
    »Wie kam es dazu?« fragte ich.
    »Gus wurde pensioniert, und es dauerte
nicht lange, bis er sich ein paar unangenehme Gewohnheiten zugelegt hatte. Mrs.
Antonio wollte nicht sagen, was das für Gewohnheiten waren, aber sie hielt es
für besser, daß er sich beschäftigte, um keine Zeit für Dummheiten zu haben.
Sie hatte eigentlich an eine freiwillige Tätigkeit gedacht, aber
glücklicherweise waren wir in der Lage, ihm ein kleines — ein sehr kleines
Gehalt zu zahlen.«
    Linnea stützte ihr Kinn mit der Hand
und zeigte unverhohlene Begeisterung. Clemente wandte sich wieder ihr zu.
    »Auch wenn Sie nur ein Amateurdetektiv
sind — haben Sie eine Ahnung, wer Mrs. Antonio umgebracht haben könnte?« fragte
er.
    Sie schüttelte den Kopf. »Es ist sehr
seltsam, insbesondere, nachdem sie gerade eine sehr schlimme Sitzung bei ihrer
geistigen Ratgeberin hinter sich hatte.«
    »Eine geistige Ratgeberin?« fragten
Clemente und ich gleichzeitig.
    »Nun ja, so hat sie ihre Wahrsagerin
genannt. Sie sagte, Madame Anya hätte ihr nur Ratschläge gegeben, die sie in
eine noch schlimmere Lage versetzten als die, welche sie ohnehin ertragen
müsse.«
    »Und was war das für eine schlimme
Lage?« fragte ich.
    »Sie wollte es mir nicht sagen, aber
sie war sehr aufgeregt. Sie meinte, es sei alles nur wegen der Karten.«
    »Guter Gott! Und wer ist diese Madame
Anya?«
    Linnea schaute mich überrascht an. »Du
kennst sie nicht?«
    »Nein, ich habe noch nie von

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