Frag die Karten
ist mir nicht unangenehm.«
»Gut. Sagen Sie, sind Sie auch so klug,
wie Sie hübsch sind?«
»Ich halte mich nicht gerade für dumm.
Warum?«
»Weil Ihnen dann vielleicht einfällt,
wie wir Gus Antonio helfen können.« Er verzog sein Gesicht in gespieltem
Kummer. »Ich gestehe, ich habe mir lange den Kopf zerbrochen, ohne zu
brauchbaren Ergebnissen gekommen zu sein.«
»Es ist auch kein einfaches Problem.«
Ich dachte nach. »Warum kann er nicht im Blindenzentrum wohnen? Da er ohnehin
Sebastian jeden Tag dort abholt und wieder zurückbringt, wäre es doch praktisch
und naheliegend.«
Clemente trank einen Schluck Bier.
»Eine gute Idee, aber leider... Das ist unmöglich.«
»Weshalb?«
»Wir werden mit Staats- und
Bundesmitteln unterstützt. Und eine der Bedingungen besteht darin, daß nur der
Leiter des Zentrums und einige Angestellte der Verwaltung neben den
eigentlichen Bewohnern dort untergebracht werden dürfen. Wir nennen sie
übrigens lieber ›Bewohner‹ als ›Patienten‹. Und wir haben schon jetzt einen ›Illegalen‹
— unseren Helfer für alles, der auch den Lastwagen fährt. Einen zweiten — das
könnte ich nicht riskieren.«
»Warum wohnt der Fahrer dort?«
»Er ist seiner Frau davongelaufen,
woraus ich ihm keinen Vorwurf mache. Sie ist eine schreckliche alte Hexe. Und
es ist ihm bisher nicht gelungen, eine neue Unterkunft zu finden, was mir nur
recht sein kann. Es ist praktisch, wenn er immer zur Verfügung steht. Aber
versuchen Sie das mal den Bürokraten klarzumachen, die unsere Stiftungsgelder
verwalten!«
»Hm. Schade. Es wäre ideal gewesen für
Gus.«
»Ich finde, es wäre noch idealer, wenn
er dort bleiben könnte, wo er jetzt wohnt. Aber er glaubt, daß er sich die
Wohnung seiner Frau nicht leisten kann.«
»Damit hat er vermutlich recht. Es ist
eine Zweizimmerwohnung — ich selbst bewohne nur ein Studio, und das ist schon
astronomisch teuer.«
»Ich hoffe, es wird uns noch etwas
einfallen.« Clemente stellte sein Glas auf den Tisch und winkte Stanley, um
noch ein Bier zu bestellen. »Gus hat Sebastian wirklich sehr geholfen. Er macht
jeden Tag außer sonntags mit ihm die Runde, und man könnte die Uhr nach ihm
stellen, so pünktlich ist er. Ich finde, wir sollten uns dafür dankbar erweisen
und ihm jetzt beistehen.«
»Ist es denn wirklich nötig, daß die
Vorräte an Bürsten jeden Tag ergänzt werden?« fragte ich. »Sie verkaufen doch
nicht so viele, oder?«
Stanley stellte unsere Gläser auf den
Tisch, und Clemente kramte nach Kleingeld in seinen Taschen. »Sicher, mit
ausreichenden Regalen könnte man das überflüssig machen. Ein paar Haken und ein
Schild — das sieht nicht gut aus und zieht keine Kunden an.«
»O ja«, bestätigte ich. »Ich erinnere
mich noch an die Zeit, als ich in einem Warenhaus gearbeitet und Windeln und
Babydecken hübsch dekoriert habe.«
Clemente zog die Stirn in Falten. »Sie
haben Babysachen verkauft?«
»Nicht lange. Es war beim
Verkaufstraining in einem großen Warenhaus in San Diego. Man mußte drei Monate
Verkaufspraxis aufweisen, bevor man an der für einen vorgesehenen Stelle
beschäftigt wurde. Nach der Windelabteilung kam ich in die Sicherheitsabteilung
des Warenhauses.«
»So sind Sie also bei diesem Beruf
gelandet. Macht er Ihnen Spaß?«
»Meinen Sie die Arbeit im Warenhaus
oder die als Privatdetektiv?«
»Beides.«
»Ehrlich gesagt, die Arbeit im
Warenhaus hat mir nach einiger Zeit zum Hals herausgehangen. Wir mußten
potentielle Warenhausdiebe überwachen und waren dazu mit großen Handtaschen
ausgerüstet, in denen sich Walkie-Talkies befanden. Sie können sich nicht
vorstellen, wie es einem auf die Nerven fällt, wenn man jeden Tag dieselben
Stapel von Kleidung durchsehen muß. Als ich genügend Geld gespart hatte, habe
ich gekündigt und bin aufs College gegangen, in Berkeley. Und später kam ich zu
einem der großen Detektivbüros hier in San Francisco.«
»Und darauf haben Sie sich auf dem
College vorbereitet?«
»Nein. Ich studierte Soziologie; damit
konnte ich so gut wie keinen Beruf finden. Ich bekam den Job wegen meiner
Erfahrung als Warenhausdetektiv.«
»Und Sie sind immer noch bei dem
Detektivbüro beschäftigt?«
»Nein, nicht mehr. Vor ein paar Jahren
hat es da etwas Ärger gegeben. Ich ordne mich nicht gerne unter. Heute arbeite
ich bei der Rechtsberatungsfirma All Souls... Aber es war eigentlich nicht
meine Absicht, Ihnen die Geschichte meines Lebens zu erzählen. Wie steht es mit
Ihnen — wie
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