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Frag die Karten

Frag die Karten

Titel: Frag die Karten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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recht?«
    »Ja.«
    »Entspannen Sie sich erst einmal. Haben
Sie etwas bei sich, was Ihnen etwas bedeutet? Irgendein Schmuckstück? Oder etwas,
was Sie zur Erinnerung an jemanden bei sich tragen?«
    Ich schaute hinunter auf meine
gefalteten Hände, wo der Ring meiner Mutter am linken Mittelfinger steckte. Sie
hatte ihn mir geschenkt, als ich einundzwanzig geworden war, und erklärt, daß
er immer auf die älteste Tochter übergehen sollte. Ich war von Natur aus nicht
abergläubisch, glaubte aber zu fühlen, daß er mich schützte und mir Glück
brachte.
    Anyas Blick folgte dem meinen. »Darf
ich mal sehen?«
    Zögernd nahm ich den Ring vom Finger
und ließ ihn in ihre ausgestreckte Handfläche gleiten. Augenblicklich kam ich
mir ohne den Ring weitaus schutzloser vor. Mrs. Nevermans lange mageren Finger
schlossen sich um den Ring, und sie senkte den Kopf, um ihn zu betrachten. In
der Stille, die folgte, wurde ich von wachsender Spannung ergriffen. Mir wurde
klar, daß ich Angst hatte vor dem, was mir Mrs. Neverman berichten würde, und
noch mehr davor, daß ich es möglicherweise glauben würde.
    »Ein sehr alter Ring«, sagte Mrs.
Neverman — Madame Anya jetzt. »Ein Familienstück.«
    »Ja.« Man brauchte keine übersinnlichen
Wahrnehmungskräfte, um das zu erraten.
    »Der Ring ist von europäischer Machart,
also kann ihre Herkunft nicht rein indianisch sein.«
    »Tatsächlich bin ich nur zu einem
Achtel Indianerin. Alle anderen in der Familie sehen schottisch-irisch aus, nur
ich nicht. Ich bin das, was man einen ›Rückschlag‹ nennt, und glauben Sie mir,
ich bin als junges Mädchen oft deshalb geneckt worden.«
    Anyas dunkle Augen beobachteten mich
eindringlich. »Ich verstehe. Aber Sie wissen auch, daß Sie schon immer ein sehr
hübsches Mädchen waren. Der Ring war ein Geschenk Ihrer Mutter.«
    Wieder eine leicht zu treffende
Vermutung, denn immerhin handelte es sich ja um einen Frauenring. Anya verfügte
nicht über geheimnisvolle Kräfte, aber ihre Gedanken arbeiteten logisch. Sie
wäre sicher eine gute Detektivin geworden.
    »Der Ring«, fuhr sie fort, »wird in
Ihrer Familie stets an die älteste Tochter weitergegeben.«
    Ich war verblüfft. Eine Vermutung,
nichts weiter, sagte ich mir.
    »Sie glauben, daß der Ring gewisse
Kräfte besitzt.« Jetzt schaute sie mich listig von der Seite an. »Vermutlich
nehmen Sie an, daß er Ihnen Glück bringt.«
    »Vielleicht.« Ich setzte mich aufrecht
hin.
    »Ja, meine Liebe, ich weiß, Sie geben
nun einmal nicht gerne zu, daß Sie abergläubisch sind. Dieser Ring verfügt in
der Tat über gewisse Kräfte, aber sie sind nicht stark genug. Längst nicht
stark genug, um Sie gegen die Schwierigkeiten zu schützen, die Ihnen in
nächster Zeit ins Haus stehen.«
    »Schwierigkeiten?« Eine Welle irrationaler
Angst lief mir über den Rücken.
    »Ja, Schwierigkeiten, meine Liebe. Es
wird große Schwierigkeiten geben in Ihrem häuslichen Bereich.«
    Ich entspannte mich wieder. Immerhin
war Linnea bei ihr gewesen. Natürlich wußte Anya, wie es um sie stand, und daß
sie bei mir wohnte.
    »Ihre Freundin hat viele Probleme, ich
meine, die junge Frau, die bei Ihnen wohnt. Sie verschlimmert sie noch, weil
sie trinkt. Ich habe versucht, sie zu warnen. Sagte ihr, sie müsse beten, um
von diesem Übel geheilt zu werden und sich um Kraft bemühen, damit es ihr
gelingt, die Schwierigkeiten zu überwinden.«
    »Und was hat sie geantwortet?«
    »Ihre Freundin ist offenbar nicht
bereit, gute Ratschläge anzunehmen.«
    Das erklärte Linneas mürrisches
Verhalten, als ich sie gefragt hatte, was ihr von der Wahrsagerin mitgeteilt
worden war. »Ja, das stimmt.«
    »Sie wissen, Ihre Freundin hat Ihr Heim
ziemlich in Unordnung gebracht. Aber das ist erst der Anfang. Es wird noch
schlimmer werden in der nächsten Zeit, viel schlimmer. Und Sie werden viel Kraft
brauchen, um das durchzustehen.« Anya legte eine Pause ein und zeigte
dramatisch mit dem Finger auf mich. »Schon in der nächsten Woche werden Sie mit
allen Kräften gegen den Tod einer alten Freundschaft kämpfen müssen. Ich sehe
einen dunkelhaarigen Mann, der Ihnen Falsches zuflüstert. Wissen Sie, wen ich
damit meine? Und ich sehe einen Mann mit blondem Haar, den Sie für Ihren Freund
halten. Achten Sie auf ihn, er könnte Sie hintergehen. Es besteht Gefahr, daß
Sie zu sehr auf die anderen hören. Hüten Sie sich vor Lügen und versuchen Sie,
zu erkennen, ob einer die Wahrheit sagt oder nicht.«
    Unwillkürlich lief mir wieder

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