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Frag die Karten

Frag die Karten

Titel: Frag die Karten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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kannst du vergessen, Jeff. Wir
sind momentan ohnehin knapp genug, wie du weißt. Und morgen muß ich die
Fünfzigtausend bezahlen.«
    »Was soll ich also tun?«
    »Ja nun, Jeff...« Clementes Stimme
klang fast ein wenig amüsiert. »Ich sehe nur eine Lösung.«
    »Nämlich?«
    »Du packst deine Sachen, rollst deinen
Schlafsack zusammen und gehst nach Hause zu ihr.«
    »Sehr komisch.«
    »Ich meine es im Ernst.«
    »Es muß doch eine andere Möglichkeit
geben!«
    Clemente antwortete, aber er hatte sich
anscheinend vom Fenster wegbewegt, denn seine Worte waren kaum noch zu
verstehen.
    »Verdammt!« Nevermans Stimme war wieder
lauter geworden. »Versuch du doch mal, bei ihr zu leben.«
    »Glücklicherweise ist sie nicht auf
mich versessen. Und ich finde, ich habe genug Zeit mit diesem Problem
vergeudet. Du packst jetzt deine Sachen und läßt Anya nicht mehr allzu lange
warten.«
    »Verdammt will ich sein, wenn ich das
tue. Verdammt will ich sein!« Nevermans Stimme klang wie lautes Wehgeschrei.
»Lieber sehe ich sie tot, als daß ich noch mal bei ihr einziehe. Weder du noch
die Polizei oder sonstwer kann mich dazu zwingen, zu ihr zurückzugehen.«
    Die Tür fiel krachend ins Schloß. Ich
spähte durch die Büsche und sah Neverman, der über den Rasen davonlief. Er
näherte sich der Straße, die Hände zu Fäusten geballt.
    Durch das offene Fenster hörte ich
Clemente murmeln: »Jesus und Maria!«
    Ich warf einen Blick auf Sebastian. Er
kroch aus dem Gebüsch und tastete mit dem Stock nach der Einkaufstüte. Ich
wartete, bis er um die Ecke des Pfarrhauses verschwunden war, dann verließ ich
selbst mein Versteck.
    Neverman war schon einen Block weiter
in der 24. Straße und überquerte sie gegenüber einem kleinen Straßencafé. Da er
nicht auf den Verkehr achtete, mußten zwei Wagen mit kreischenden Bremsen
anhalten. Ein Motorrad umrundete die beiden Fahrzeuge und hupte. Der Fahrer
brüllte wilde Verwünschungen. Neverman machte eine obszöne Geste mit dem
Mittelfinger und lief weiter. Er betrat das Café und setzte sich an einen Tisch
unter den weiß und rot gestreiften Sonnenschirmen. Ich ging rasch auf das Café
zu.
    Neverman beugte den Kopf und trommelte
mit den Fingern auf den Tisch. Ich blieb direkt vor ihm stehen, und er blickte
mit wutverzerrtem Gesicht auf.
    »Hallo, Jeffrey«, grüßte ich.
    »Sie schon wieder! Was wollen Sie?
Beschatten Sie mich? Herb hat mir gesagt, daß Sie Privatdetektiv sind. Hat Anya
Sie engagiert, damit Sie mich überwachen?«
    »Natürlich nicht«, entgegnete ich und
setzte mich unaufgefordert neben ihn. »Ist etwas nicht in Ordnung?«
    Es gelang ihm nur mit Mühe, seinen Zorn
zu beherrschen. »Nee. Ich muß nur was zu Mittag essen. Der Fraß im Zentrum
schmeckt mir nicht.«
    Ich warf einen Blick auf meine
Armbanduhr. »Drei Uhr — ziemlich spät fürs Mittagessen.«
    »Ich hatte zu tun und vorher keine
Zeit.«
    Die gelangweilt dreinschauende
Kellnerin kam an den Tisch, und Neverman bestellte sich einen Hamburger mit
Bratkartoffeln. Ich ließ mir eine Cola bringen. Als das Essen kam, übergoß
Nevérman alles mit Ketchup und schaufelte es in sich hinein.
    »Oder haben Sie es sich überlegt«, fuhr
er mit vollem Mund fort, »und sich entschlossen, auf mein Angebot
zurückzukommen?«
    »Was denn für ein Angebot?«
    »Mein Gott!« Er rollte mit den Augen.
»Ich mach’ Sie an, und Sie haben es schon vergessen! Möchte wissen, was mich an
Ihnen so gereizt hat.«
    »Sie waren gestern abend ganz schön
weggetreten.«
    »Ja, das muß es gewesen sein.«
    »Also, ist das Essen im Blindenzentrum
nicht gut?« fragte ich, um das Gespräch in Gang zu halten.
    »Nee, gar nicht. Dabei könnte man
denken, sie würden versuchen, einigermaßen gut zu kochen. Diese Spinner haben
ja kaum ein anderes Vergnügen.«
    »Sie meinen Spinner wie Sebastian?«
    Er goß noch mehr Ketchup auf seinen
Teller. »Ja, wie Sebastian.«
    »Was halten Sie eigentlich von ihm?«
    Er schaute kurz hoch. »Wie ich schon
gestern abend sagte, er kommt mir vor wie eine der unheimlichen Karikaturen von
Charles Addams. So sind die meisten von ihnen. Ich glaube, wenn man nicht mehr
sehen kann, hat man ein Recht darauf, verrückt zu werden.«
    »Aber Herb Clemente ist wenigstens
normal«, warf ich ein. »Wie er mir sagte, kennen Sie ihn schon lange.«
    »Stimmt«, erwiderte er vorsichtig.
    »Seit er Sie nach Ihrem
Gefängnisaufenthalt beraten hat.«
    Er hielt inne, als er gerade ein Stück
Hamburger an den Mund führen wollte. »Das

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