Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Frag die Karten

Frag die Karten

Titel: Frag die Karten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
Vom Netzwerk:
hat Ihnen Anya gesagt«, erklärte er
tonlos. »Bestimmt nicht Herb. Das muß sie gewesen sein.«
    Ich zuckte mit den Schultern. »Was macht
das schon aus?«
    »Ach, dieses Miststück. Sie kann ihr
Maul nicht halten. Muß allen Leuten auf die Nase binden, was ihr der schlimme
Jeffrey angetan hat. ›Jeffrey ist im Gefängnis gelandet, und ich habe die ganze
Zeit treu auf ihn gewartet. Und dann hat er mich verlassen. Der böse, gemeine
Jeffrey.‹« Wieder klang seine Stimme so rauh wie die seiner Frau.
    »Können Sie ihr das verdenken?« fragte
ich.
    »Nein — aber mir selbst mache ich
Vorwürfe, weil ich mich überhaupt mit so einem Miststück eingelassen habe.«
    »Vielleicht auch dafür, daß Sie ins
Gefängnis gekommen sind?«
    Er stieß einen Seufzer aus. »Sie sind
wirklich stur. Na schön, ich hab’ was geklaut. Wenn ich mal ein bißchen zu viel
auf meinem Wagen hatte. Ich hab’ hier und da mal einen Kunden betrogen. Das tut
jeder. Es gibt sogar ein Wort dafür: ›Transportverlust‹. Man rechnet damit, es
ist bereits in die Kosten einkalkuliert. Aber mich hat man dabei erwischt!«
    »Und Clemente hat Sie engagiert.«
    »Herb war wütend darüber, daß es mit
seiner Beratung nicht so recht geklappt hat. Ich komm’ einfach nicht mehr
richtig auf die Beine, und das verletzt Herbs Berufsstolz, also hat er mich bei
sich aufgenommen und mich zu seinem dressierten Affen gemacht. Ich mache mir
keine Illusionen über Herbs Beweggründe.« Neverman stand auf, zerrte zwei
Dollarnoten aus einer Tasche seiner Jeans und warf sie auf den Tisch. Ein
Geldschein landete in seinem ketchupverschmierten Teller. »Ich muß weiter.« Er
drehte sich um und ging hinaus auf die Straße.
    Ich rettete den Dollarschein aus dem
Ketchupteich und schaute auf die Rechnung. Neverman hatte nicht genügend Geld
zurückgelassen. Ich nahm das, was noch fehlte, und das Geld für mein Cola aus
der Handtasche. Sieh es als Spesen an, Sharon, sagte ich mir.
    Und nun solltest du dich daran machen,
etwas mehr über das Blindenzentrum in Erfahrung zu bringen. Denn dort geht
etwas vor sich, was du nicht einmal mit deinen scharfen Augen erkennen kannst.
     
     
     

Kapitel
13
     
    Es war vier Uhr, als ich zu All Souls
zurückkehrte, wo ich umsonst telefonieren konnte. Ich rief beim Gesundheitsamt
in Sacramento an, und nachdem ich sechsmal weiterverbunden worden war,
erreichte ich endlich die zuständige Angestellte, die mir Informationen über
das Sunrise-Blindenzentrum geben konnte.
    Mein lieber Onkel Jim, erklärte ich — wobei
ich mich vorsorglich in Gedanken bei ihm dafür entschuldigte — sei bei einem
Unfall erblindet. Sein Arzt habe ihm das Blindenzentrum empfohlen. Ich hätte es
mir daraufhin angesehen und heute nachmittag mit dem Direktor gesprochen, doch
ich sei noch nicht ganz sicher, ob es der richtige Aufenthaltsort für meinen
Onkel sei. Was könne sie mir über die Anstalt sagen?
    Ich mußte erneut warten. Warten, bis
sie sich die Unterlagen besorgt hatte. Und ich bezweifelte, daß ich irgend
etwas von Bedeutung erfahren würde, aber die Möglichkeit schien mir dennoch die
Kosten eines Ferngesprächs zu rechtfertigen.
    Endlich meldete sich die Frau wieder.
Das Sunrise-Blindenzentrum habe eine hervorragende Rehabilitationsziffer
aufzuweisen, seit der derzeitige Direktor Mr. Herb Clemente die Leitung
übernommen habe. Die durchschnittliche Zeit, nach der die Klienten ins
Gemeinschaftsleben zurückkehrten, liege unter einem Jahr. Die staatlichen
Gelder und die Bundesmittel für das Zentrum seien daraufhin erst kürzlich
erhöht worden.
    Und Mr. Clemente? fragte ich. Wie
schätzt man seine Qualifikation ein?
    Papier raschelte. Mr. Clemente verfüge
über hervorragende Qualifikationen im Hinblick auf den Dienst an der
Gesellschaft. Sein Diplom in Psychologie habe er bei der Universität des
Staates Kalifornien in Long Beach erworben. Er habe fünf Jahre als
Gefängnisaufseher gearbeitet, danach eine offene Anstalt geleitet und
schließlich ein Programm zur Resozialisierung auf Bewährung entlassener
Sträflinge erarbeitet.
    Ich schrieb den Begriff ›auf Bewährung
Entlassene‹ auf meinen Schreibblock und malte einen Käfig darum, während die
Frau weiter berichtete. »Doch die Ungewißheit über die Zeit, die mein Onkel im
Sunrise-Zentrum verbringen muß, beunruhigt mich«, sagte ich schließlich, als
sie geendet hatte. »Es ist schön und gut, wenn Sie mir Durchschnittszahlen
nennen, aber ich weiß zum Beispiel von einem Mann, der sich

Weitere Kostenlose Bücher