Frag die Karten
erreichen.« Sie langte nach dem Schalter der
Anlage.
»Die Musik bleibt aus!« Ich sagte es
schärfer, als ich beabsichtigte. Dann bemühte ich mich, meine Stimme milder
klingen zu lassen und fuhr fort: »Es tut mir leid, daß du mich nicht erreichen
konntest, aber ich hatte zu tun. Jetzt dagegen bin ich frei, und wir müssen uns
zusammensetzen und miteinander reden.«
Ich ließ mich in einen der Sessel
fallen und versuchte die Ringe der Gläser und die Brandflecken der Zigaretten
an den Armlehnen zu übersehen. »Komm doch rüber, damit ich nicht so laut reden
muß.«
Sie erhob sich mühsam und brachte die
Flasche und ein verschmiertes Glas mit, stellte das Glas auf den Couchtisch’
und begann es vollzugießen.
»Kein Scotch mehr für heute, Linnea.«
Sie starrte mich mit weit aufgerissenen
Augen an. »Mein Gott, was soll das? Ich brauche einen Drink, Sharon. Ich habe
dich immer wieder angerufen und dir Nachrichten hinterlassen, aber du hast es
nicht einmal für nötig gehalten...«
»Jetzt hör mir gefälligst zu,
Linnea!« Meine Stimme klang rauh vor Ungeduld und Verärgerung. »Ich bin weder
deine Mutter noch dein Exgatte. Oder dein Kindermädchen. Ich habe einen Beruf
und kann nicht jedesmal, wenn du dich über irgend etwas aufregst, nach Hause
rennen und mich um dich kümmern.«
»Wenn mich etwas aufregt? Natürlich
regt mich etwas auf, und das ist noch gelinde ausgedrückt.« Störrisch schenkte
sie das Glas bis zum Rand voll. »Was hast du dir eigentlich dabei gedacht, als
du diesen Kerl hierher schicktest, damit er mich nach allen Regeln der Kunst
verhört?«
Mir fielen wieder Gregs Pralinen ein,
und der Gedanke daran beunruhigte mich zutiefst. »Ich habe ihn nicht
hergeschickt.«
»Natürlich nicht, nein, sowas würdest
du ja nie tun. Wirklich, es war eine gute Entschuldigung, die er vorbrachte,
aber ich habe sie sofort durchschaut.« Sie trank einen großen Schluck. »Er ist
hier reingekommen, als ob ihm die Wohnung gehört. Dieser freche, gemeine Kerl!«
Es war wirklich schäbig von Greg, so zu
tun, als wollte er mir eine Bonbonniere bringen, in der Absicht jedoch, meine
Freundin zu verhören! »Was hat er denn von dir wissen wollen?«
»Jetzt plötzlich interessierst du dich
dafür, wie? Nachdem ich den ganzen Tag über bei dir angerufen habe, beginnt
sich die große Detektivin dafür zu interessieren.«
Ich hätte gute Lust gehabt, ihr eine
Ohrfeige zu verpassen, doch ich verschränkte die Finger beider Hände
ineinander, damit sie mir nicht doch noch ausrutschten. »Ich habe dich gefragt,
was er von dir wissen wollte.«
Mein Ton weckte ihren Sarkasmus. »Er
behauptete immer wieder, Molly hätte mir etwas zum Aufheben gegeben. Und er
verlangte, daß ich es ihm rausrücken sollte. Aber ich hatte keine Ahnung, wovon
er redete. Ich sagte ihm, daß ich nichts davon wüßte, aber er hat es mir nicht
geglaubt.« Ihre Stimme senkte sich zu kindlichem Gejammere. »Warum hat er mir
nicht glauben wollen?«
»Ich weiß es nicht«, erwiderte ich geistesabwesend.
Weshalb glaubte Greg, Molly hätte Linnea etwas zum Aufbewahren übergeben? War
es möglich, daß Molly irgendeinen Hinweis hatte geheimhalten wollen, der die
Antwort auf die Frage nach einem Motiv gegeben hätte? Immerhin hatte der Täter
ihre Wohnung durchsucht. Ich fragte Linnea: »Und dann?«
»Er hat mir keine Ruhe gelassen. Ich
habe es mit der Angst bekommen. Ich nahm die Bonbonniere und hab’ sie ihm an
den Kopf geworfen. Ich schrie, daß ich die Polizei holen würde. Er hat mich nur
ausgelacht.«
Ich konnte mir Gregs Reaktion gut
vorstellen. »Und dann?«
»Dann ist er gegangen. Einfach so, als
ob nichts gewesen wäre.«
Meine Besorgnis war nun offenem Zorn
gewichen. Diesmal war Greg einen Schritt zu weit gegangen. Er hatte unsere
Freundschaft als Vorwand benützt, um hier einzudringen, weil er damit rechnete,
daß ich nichts gegen ihn unternehmen würde. Nun, er würde bald eines Besseren
belehrt werden.
»Okay, Linnea«, sagte ich. »Es ist
vorbei, und ich werde dafür sorgen, daß es nicht wieder passiert.« Ich versuchte,
meinen Zorn zu beherrschen, und ließ mir Gregs sonderbare Vermutung durch den
Kopf gehen. Dieses Etwas, was Molly bei Linnea aufbewahren wollte, mußte ein
wichtiger Hinweis sein. Greg hatte vermutlich von den anderen Mietern erfahren,
daß Linnea bei mir wohnte, und wenn er außerdem gehört hatte, daß Molly an dem
Abend, bevor sie ermordet wurde, hier gewesen war, mußte er annehmen, Linnea
sei
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