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Frag die Karten

Frag die Karten

Titel: Frag die Karten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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leere Straße bis zum
Morgen, als ich den Laden aufsperren mußte.«
    »Haben Sie irgend jemanden gesehen, als
Sie drüben in Mollys Haus waren?«
    »Nein.«
    »Und Sie haben nichts berührt in ihrer
Wohnung, haben auch nichts gesucht?«
    Er zog die Augenbrauen hoch. »Natürlich
nicht.«
    »Warum haben Sie das der Polizei
verschwiegen?«
    »Ich hatte Angst.« Er senkte den Kopf.
»Und jetzt schäme ich mich.«
    »Wovor hatten Sie Angst?«
    »Miss McCone, ich glaube, das werden
Sie nicht verstehen.«
    »Versuchen Sie es doch einfach mal.«
    »Sie haben keine Ahnung, was es
bedeutet, wenn man hier in dieser Stadt als Araber wohnt. Es gibt viele von
uns; die meisten haben kleine Läden wie ich. Jedes Jahr werden nicht wenige
überfallen und beraubt, und einige werden sogar ermordet. Die Räuber und Mörder
erwischt man nie; sie werden nicht vor Gericht gebracht. Die Polizei hält
nichts von uns und versucht nicht einmal, uns zu schützen wie jeden anderen
Bürger. Also verachten wir die Polizei, und wir haben Angst vor ihr — begründete
Angst.«
    Es stimmte, arabische Ladenbesitzer
waren nicht selten das Ziel von Gewalttaten gewesen. Die minderbemittelten
ethnischen Gruppen in der Stadt empfanden eine Abneigung gegen die Araber und
trauten ihnen nicht. Aber Mr. Moes Behauptungen klangen doch allzusehr nach
Verfolgungswahn und hörten sich zudem ziemlich hohl und falsch an. Ich musterte
ihn schweigend und fragte mich nach dem wahren Grund dafür, daß er den Tod von
Molly Antonio nicht sofort der Polizei gemeldet hatte.
    Unter meinem prüfenden Blick bewegte er
sich unruhig. »Ich habe Ihnen die Wahrheit gesagt. Halten Sie nun Ihren Teil
des Versprechens?«
    »Ja, ich halte ihn.« Danach beobachtete
ich ihn noch ein paar Sekunden lang, weil es mir nicht gelang, zu beurteilen,
ob das nun die Wahrheit war oder nicht. Mr. Moe wandte sich ab.
    »Ich muß noch etwas tun, Miss McCone.
Bitte, gehen Sie.«
    Ich hätte draußen auf der Straße Ausschau
halten können, um zu sehen, wen Mr. Moe erwartete, aber im Licht dieser neuen
Information schien es mir verhältnismäßig unwichtig zu sein. Statt dessen ging
ich nach Hause, um mich nach Linneas neuestem Trauma zu erkundigen.
     
     
     

Kapitel
14
     
    Als ich die Wohnungstür öffnete, schlug
mir laute Musik aus der Stereoanlage entgegen. Hinter der Tür trat ich auf
irgend etwas und tastete nach dem Lichtschalter. Eine Schachtel mit Pralinen
lag offen und umgestülpt auf dem Boden, und zwischen den herausgefallenen Pralinen
sah ich eine Toilettenbürste. Ich schaute angewidert auf das klebrige Zeug an
meinen Schuhen.
    »O mein Gott«, murmelte ich. Die Bürste
hatte ich tags zuvor bei Sebastian bestellt, aber die Pralinen konnten nur
bedeuten, daß Greg hier gewesen war. Hatte er Linnea in der Mordsache verhört?
War es das, was sie so aufgeregt hatte?
    Ich zog meine Schuhe aus und schlich
lautlos durch die Diele. Die laute Musik sagte mir, daß meine Freundin wieder
einmal betrunken sein mußte, dabei war es noch nicht einmal sieben Uhr abends.
    Sie hockte im Zimmer auf dem Boden, vor
dem Plattenspieler, und hatte die Beine verschränkt. Ihr Haar löste sich aus
den kindlichen Zöpfen, und neben ihr stand eine Dreiviertelliterflasche Scotch,
die nur noch halbvoll war. Der Kater, entsetzt über den schrillen Lärm, kauerte
hinter einem der Sessel, während Linnea hin und her schwankte und mit den
Rolling Stones um die Wette brüllte.
    Die Stones hatten den Gipfel ihrer
Karriere erreicht zu der Zeit, als Linnea ihren späteren Mann kennenlernte und
heiratete. Es machte nichts aus, daß ihre Musik nicht gerade überwältigend war.
Wenn Linnea in Depressionen verfiel, spielte sie die Platten und tröstete sich
mit der Flasche.
    Ich ging hinüber und schaltete die
Stereoanlage ab. Linnea hob ihr tränenverschmiertes Gesicht. Es war von tiefen
Kummerfalten gezeichnet, aber in ihren Augen glomm ein selbstzufriedener Funke.
Das verblüffte mich. War es möglich, daß sie ihr Elend auch noch genoß?
    »Warum machst du das, um Himmels
willen?« fuhr sie mich an und schaute geistesabwesend auf den Schalter des
Receivers.
    Ich holte tief Luft und sagte mir: Laß
dir von Linnea keine Schuldgefühle einimpfen. Du trägst keine Schuld daran.
    »Ich habe die Musik abgeschaltet, weil
ich mit dir reden möchte. Bei der Lautstärke versteht man kein Wort.«
    »Du willst mit mir reden? Wie
wunderbar. Jetzt willst du mit mir reden, nachdem ich den ganzen Tag
über versucht habe, dich zu

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