Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Frag die Toten

Frag die Toten

Titel: Frag die Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linwood Barclay
Vom Netzwerk:
gewesen, als sie den Jungen bekam, und der Vater hatte sich schon längst aus dem Staub gemacht. Also wäre er durchaus im Recht, wenn er den Jungen einen Bankert nannte, aber kleine Sackratte gefiel ihm einfach besser. Nach der Predigt, die er ihm unlängst gehalten hatte, erwartete er, dass der Kleine sich in Zukunft zusammenreißen würde, weder die Reifen noch sonst etwas anfassen würde, was Kirk gehörte. Kein Zehnjähriger wollte schließlich auf eine Militärakademie für Kinder geschickt werden. Und das sei der Gedanke, mit dem seine Mutter sich trage, hatte Kirk ihm gesagt, wenn er nicht spure und Kirk in die Quere käme.
    Das sei jedoch ihr kleines Geheimnis, hatte er dem Jungen gesagt.
Deine Ma weiß nicht, dass ich dir gesagt habe, was sie sich überlegt hat. Mach keinen Ärger, mach keinen Krach, geh den Erwachsenen nicht auf den Sack, und vielleicht, aber nur vielleicht, vergisst deine Ma das alles dann wieder.
    Und es funktionierte. Der Kleine hatte in letzter Zeit ein mustergültiges Verhalten an den Tag gelegt.
    »Zwischen den Zehen!«, schrie er den Fernseher an. War ihm gerade eingefallen.
    Er trank einen Schluck aus der Bierflasche und biss wieder von der Biskuitrolle ab. Wie sich gezeigt hatte, hätte er auch im Bett bleiben können. Der »Nina«-Anruf von Keisha kam nicht, und das bedeutete wahrscheinlich, dass ihre jüngste Zielperson ihr voll auf den Leim gegangen war. Wie viel Kohle sie heute wohl heimbringen würde? Sie brauchten Essensnachschub. Er hatte den Kühlschrank durchstöbert und nicht eine Sache gefunden, auf die er Bock gehabt hätte. Höchste Zeit, dass er ein ernstes Wörtchen mit ihr redete.
    Er gähnte. Behäbig wie ein Bär saß er da und glotzte auf den Fernseher. Das
Duell
vermochte ihn nicht zu fesseln. Manchmal überforderte es ihn ein wenig.
    Er griff gerade zur Fernbedienung, da stürzte Keisha zur Tür herein.
    Blutverschmiert
.
    Er ließ die Fernbedienung auf den Couchtisch fallen und stellte die Füße auf den Boden. »Wie siehst du denn aus?«
    Sie hatte Blut im Gesicht, am Hals, überall an der Bluse. Sie hatte Blut an den Händen und Armen, und auch ihre Hose hatte etwas abbekommen.
    »Hilf mir!«, schrie sie ihn an, ließ ihre Handtasche fallen und stand da wie jemand, der mit all seinen Kleidern in ein Schwimmbecken gestoßen worden war, die Arme zur Seite gestreckt, weg vom Körper, an den Fingern ihrer rechten Hand baumelten die Autoschlüssel.
    Er lief zu ihr, blieb aber etwa einen Meter von ihr entfernt stehen. Er scheute sich, sie zu berühren, so furchterregend sah sie aus. Kirk konnte es nicht leiden, wenn seine Klamotten versaut wurden. »Was ist passiert? Hattest du einen Unfall? Wo hast du dich verletzt?«
    »Ich bin nicht verletzt – also, schon, aber das Blut, das ist nicht meins.«
    »Mensch, Alte, wem sein Blut –«
    »Sei still! Sei still und hör mir zu!«
    »Ich will ja nur wissen, was –«
    »Halt’s Maul!«, schrie sie, diesmal noch lauter.
    Normalerweise hätte er sich diesen Ton von ihr verbeten, aber unter den gegebenen Umständen schien es ihm angebracht, ihrer Aufforderung Folge zu leisten. Er hielt das Maul.
    »Hol einen Müllsack«, befahl sie ihm. »Ich zieh mich jetzt hier auf der Stelle aus und schmeiße die Sachen in den Sack. Dann holst du ein paar Zeitungen und legst sie auf den Boden, damit ich ins Bad komme, ohne Blut hier rumzuschmieren.«
    Er blieb reglos stehen, wie betäubt.
    »Einen Sack!«, sagte sie. »Hol einen Sack, verdammt noch mal!«
    Kirk rannte in die Küche und kehrte zurück mit einem grünen Plastiksack, in den ein rotes Zugband eingefädelt war. Keisha ließ die Schlüssel fallen und knöpfte ihre Bluse auf. Sie schälte sich aus den blutgetränkten Ärmeln und ließ die Bluse in den Sack fallen, den Kirk ihr hinhielt. Auch ihr weißer BH hatte Blutflecken abbekommen. Sie griff nach hinten, hakte den Verschluss auf, streifte sich die Träger von den Schultern und ließ das Teil ebenfalls in den Sack fallen. Dabei entging ihr nicht, dass Kirk es sich selbst jetzt, in dieser grauenhaften Situation, die über seinen Verstand ging, nicht verkneifen konnte, ihr auf die Titten zu gucken.
    Sie zog die Schuhe aus, öffnete den Reißverschluss ihrer Hose und zog sie zusammen mit der Unterhose aus. Warf alles in den Müllsack.
    Als sie splitternackt dastand, sagte sie: »Gib mir den Sack. Hol die Zeitungen.«
    Kirk las keine Zeitungen, aber Keisha hatte ein Abo des
Register
, um sich über potenzielle Klienten

Weitere Kostenlose Bücher