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Frank, Suzanne - Die Hüterin von Jericho

Frank, Suzanne - Die Hüterin von Jericho

Titel: Frank, Suzanne - Die Hüterin von Jericho Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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was sie tun sollten: Und über Nacht hatten sie die Verantwortung für sich selbst übernehmen müssen?
    »Sie haben also ihre Aufseher gegen Shaday eingetauscht?«, fragte ich. Wieder kam mir Dadua und seine Theorie von Shaday als Sklavenbesitzer in den Sinn.
    Cheftu hatte sich auf dem Mauersims niedergelassen und zog mich an seine Seite. »Denk doch mal nach. Die ersten Gesetze waren einfach und leicht zu befolgen. Sie drehten sich vor allem um Opferriten, denn die hatten sie auch als Sklaven beobachtet und konnten sie daher verstehen.
    Weil sie unter Menschen gelebt hatten, die ihre Erstgeborenen verehrten, gaben ihnen die Bestimmungen, den Erstgeborenen auszulösen und nicht ohne ein Geschenk vor Shaday zu erscheinen, das Gefühl, einen Gott zu verehren, der dem ihrer Nachbarn ähnlich, wenn auch nicht gleich war. Diese Dinge waren ihnen vertraut.«
    Er küsste meine Schulter und sprach dann weiter. »Die Feiertagsgesetze waren ihnen auf Grund ihres ägyptischen Erbes ebenfalls leicht begreifbar. Der religiöse Kalender und das Tabu, Götzen anzubeten, waren das Erste, was sie lernen mussten.«
    »Weil ihnen das noch frisch im Gedächtnis war?«, meinte ich.
    »Ken. Sie hatten erst kürzlich Hathor, das Goldene Kalb, angebetet. Man musste ihnen erklären, was daran falsch gewesen war.«
    Ich nickte, denn jetzt konnte ich seinem Gedankengang folgen.
    »Die von dir angeführten Gesetze, jene Gebote, die ich aus dem Katechismus kenne, waren viel komplizierter. Sie waren für Menschen bestimmt, die sich an den Gedanken gewöhnt hatten, dass sie ihr eigener Herr waren.«
    »Also wurden diese Gesetze nicht von Moshe niedergeschrieben?«, fragte ich.
    »Nein, von Shaday.«
    »Das verstehe ich nicht«, gestand ich auf Englisch.
    »Die ersten Tafeln hat Shaday selbst geschrieben, nachon?«, fragte Cheftu.
    Der Film »Die Zehn Gebote« zog vor meinen Augen vorbei, wobei das Gesicht des Schauspielers durch das dunkeläugige Antlitz Moshes, des ehemaligen ägyptischen Kronprinzen, ersetzt wurde. Ein Blitz, vorgeblich der Finger Gottes, hatte die Gesetze in Steintafeln gemeißelt. Dann war Moshe den Berg hinabgestiegen, hatte die Steine auf den Boden geschleudert und sie dabei zerbrochen.
    »Den Weisen zufolge«, antwortete ich zaghaft.
    Cheftu lachte, gab mir einen Kuss auf den Hals und schlang die Arme um mich. »Ken. So erzählen es die Tzadikum. Nachdem ha Moshe sein Volk bestraft hatte, stieg er den Berg wieder hinauf und nahm die Zehn Gebote mit eigener Hand auf.«
    Ich drehte mich zu ihm um. »Willst du damit sagen, sie haben sie im zweiten Durchgang ein wenig geglättet? Weil die Menschen einfach noch nicht reif dafür waren?
    Die Zehn Gebote, die ich kenne, die Mimi mir so oft aufgesagt hat, wären demnach die erste Fassung, doch sie waren zu kompliziert, sodass Moses und Gott eine Version für Abc-
    Schützen hinterhergeschickt haben?«
    Er zuckte mit den Achseln, ein Sinnbild gallischer Nonchalance. »Abraham hat mit Gott um ganz andere Dinge gefeilscht, wer will das also so genau sagen?«
    Es war ein verblüffender Gedanke. »Du glaubst also, dass die Regeln, die Shaday selbst in Stein gemeißelt hat, jene Zehn Gebote waren, die wir kennen? Und jene, die ha Moshe dem einfachen Volk vortrug, waren dann jene, die er beim zweiten Mal erhielt?«
    Ich konnte mich nicht mehr stillhalten. Ich sprang von der Brüstung. »Die Gesetze, die N’tan aufgeführt hat, wären also der zweite Satz, den Moses erhalten hat? Die einfache Version, die Trainingsgebote? Dies sind die Gebote, die er selbst niedergeschrieben hat?«
    Cheftu blieb lange stumm. »Es wäre denkbar, denn die Zehn Gebote, wie wir sie kennen, erforderten für eine Herde von Sklaven ein viel zu komplexes Denken.« Lächelnd fing er mit den Händen die Spitzen meiner Haare. »Es sähe Shaday ähnlich, zwei Pläne zu erstellen, einen für die Gegenwart und einen für die Nachwelt, die einander aber nicht widersprechen. Die Gebote, die wir hier befolgen, sind sehr körperliche Gebote. Die späteren Gebote sind eher geistiger Natur, sie richten sich an unser inneres Selbst.
    Du kennst nur die Letzteren, doch in der Heiligen Schrift stehen beide Versionen.«
    Ich war nicht sicher, ob ich mit ihm einer Meinung war.
    »Was meinst du - in welcher Sprache hat Gott sie wohl niedergeschrieben?«
    »Man wäre geneigt zu sagen Hebräisch«, antwortete Cheftu. »Die Urim und Thummim tragen hebräische Inschriften, wir wissen also, dass die Sprache bereits existierte.
    Und

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