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Frank, Suzanne - Die Hüterin von Jericho

Frank, Suzanne - Die Hüterin von Jericho

Titel: Frank, Suzanne - Die Hüterin von Jericho Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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werdenden Nachmittagslicht über die Straße zu kreiseln, zu wirbeln und zu tänzeln.
    Uri’a, der Klingone, wurde auf sie aufmerksam; ich sah, wie sein Gesicht vor Geilheit erschlaffte. Ein anderer Gibori trat vor, doch Uri’a hielt ihn mit dem Schwert zurück - einem Schwert aus pelestischem Eisen. Sie wechselten ein paar Worte miteinander, vermutlich etwas wie: »Ich habe sie zuerst gesehen.«
    Und die Transuse tanzte immer weiter, das Gesicht dem Regen entgegengestreckt. Deine Kindheit ist vorbei, dachte ich. Uri’a schaute ihr zu. Wütend auf sie und auf mich selbst hastete ich durch die Sintflut, riss mir das Kopftuch von den Haaren und warf es ihr über. Dann packte ich sie an der Schulter und marschierte mit ihr durch den Regen davon. Sie protestierte, doch Uri’as Miene wollte mir einfach nicht aus dem Sinn.
    Avgay’el und Shana mussten davon erfahren.
    Triefnass, mit laufenden Nasen und völlig aus der Fasson kamen wir im Palast an.
    Im Hof stand ein Ägypter, ein Ägypter, den ich noch nie gesehen hatte. Er war zwar wie ein Priester gekleidet, trug aber ein Schwert wie ein Soldat. Der Bleiglanz war über sein Gesicht verlaufen; er war völlig durchnässt. Niemand war in seiner Nähe. Ich befahl der Transuse knapp, in den Frauenflügel voranzugehen. ‘Sheva warf mir einen finsteren Blick zu und zog ab.
    »Hat sich schon jemand deiner angenommen, Herr?«, fragte ich auf Ägyptisch.
    Mein Anblick schien ihn zu verblüffen; seine Finger flogen durch die Luft und machten das Zeichen gegen den bösen Blick, denn schließlich hatte ich rotes Haar und grüne Augen.
    »Nein, äh, Herrin«, antwortete er.
    »Wen möchtest du sprechen? Pharao Semenchkare hat sein Lager auf dem Hügel gegenüber aufgeschlagen.« Ich gab mir alle Mühe, mich nützlich zu machen. Seine Augen wurden schmal. Allmählich bekam ich das Gefühl, alles falsch zu machen. »Oder bist du hier, weil du haNasi Dadua sprechen möchtest?«
    »Ich bringe Kunde von einem neuen Pharao«, sagte er.
    »Echnaton ist zu Osiris heimgeflogen?«
    »Echnaton hat Osiris’ Existenz geleugnet«, erwiderte er eisig.
    Na prima, ich leistete ja erstklassige Arbeit. Ich beschloss, den Mund zu halten, solange es noch möglich war.
    »Der Junge, Tuti, ist er bei Pharao?«
    Bildete ich mir das nur ein, oder lastete auf dem Wort Pharao dicker Sarkasmus? Ich zuckte mit den Achseln. Das wusste ich nicht. Ich bot ihm Wasser an und zog dann ab in den Frauenflügel. Sobald ich dort und damit bei Daduas kreischenden, herumrennenden Kindern angekommen war, suchte ich Shana auf und berichtete ihr von dem Boten. Dann erzählte ich ihr von der Transuse und Uri’a. Sie tch’te und schickte mich aufs Stroh.
    Die Kinder wurden zum Mittagsschlaf hingelegt und an uns Frauen Wollballen sowie jeweils zwei Holzplatten ausgeteilt: eine mit zwei Zinkenreihen, die andere mit einer. Bei all dem Wollekrempeln und Teigkneten würde ich mir in Zukunft jedes Fitnesstraining sparen können. Als Frau im Altertum zu leben,
    war harte Arbeit und ein ebenso hartes Workout.
    Würde ich immer eine Frau im Altertum bleiben? Ich legte die Hand auf meinen Bauch und kämpfte gegen die Tränen an. Wollte ich das denn?
    »Erzähl uns eine Geschichte, Avgay’el!«, forderten die Frauen. Avgay’el war schwanger, auch wenn man ihr das nicht ansah. Andererseits war Daduas neueste Frau, eine ausländische Prinzessin, unübersehbar schwanger. In einer Hinsicht war das eigenartig; in anderer auch wieder nicht. Theoretisch hatte ich mich mittlerweile mit der Polygamie abgefunden; verwandelte ich mich allmählich wirklich in eine Frau des Altertums?
    Die Himmel hatten sich über Tziyon geöffnet und durchtränkte uns. Wir hörten die Tropfen auf das Dach trommeln; das Gewitter hatte es drinnen dunkel werden lassen.
    Anhino’am bat die Transuse, Lampen anzuzünden. Dann merkte ich, wie ‘ Sheva hinausschlüpfte. Um wieder im Regen zu tanzen, dachte ich. Wenigstens befand sie sich jetzt im Palast, wo es sicher war.
    Avgay’el nahm ihr Arbeitszeug auf und fing an, ihren Woll-ballen zu entfilzen, wobei sie im Rhythmus ihrer Bewegungen mit kräftiger, melodiöser Stimme sprach: »Angesichts des Wetters«, sagte sie, »weiß ich schon, welche Geschichte heute passt.«
    Die Frauen lachten. Ich konzentrierte mich darauf, meinen Wollballen auseinander zu ziehen, damit ich anfangen konnte, ihn zu krempeln.
    »Die Geschichte hat ihren Anfang, nachdem die erste Familie sich vermehrt hatte«, begann Avgay’el. »Sie

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