Franley, Mark
sie bereits zusammenarbeiteten, konnte er sich keinen Reim darauf machen, warum er Natalie seit heute Morgen irgendwie anziehend fand. Mike schob es darauf, dass die letzte Nacht mit einer Frau schon ziemlich lange her war, und versuchte sich wieder auf die Arbeit zu konzentrieren. Mit möglichst ernsthafter Stimme fragte er: »Was hältst du davon?«
Als sie antwortete, stellte er ernüchtert fest, dass Natalie offensichtlich keine abschweifenden Gedanken hatte, denn ihr war ein wichtiges Detail nicht entgangen. Sie deutete auf die Tür und sagte: »Das passt nicht!« Mike runzelte die Stirn, musste aber nicht nachfragen, da sie ihm die Antwort lieferte. Wieder deutete sie auf die Tür. »Wenn hier keine Tiere mehr zerlegt werden, was wird dann verbrannt? Der Kamin auf dem Dach ist eindeutig in Betrieb und bei fast dreißig Grad werden die wohl kaum eine leere Halle heizen.«
Mike verfluchte seine Nachlässigkeit, ließ sich aber nichts anmerken und schlug vor: »Lass es uns herausfinden! Hast du die Tür vorne rechts gesehen? Ich kann zwar kein Tschechisch, aber von dem Schild her, würde ich sagen, da geht es zu einem Treppenhaus, und das kann ja nur nach unten führen!«
Mike war schon mit einem Fuß aus der Toilette herausgetreten, als sich die besagte Treppenhaustür öffnete und zwei Männer zum Vorschein kamen, von denen Mike einen als den Fahrer des Transporters wiedererkannte. Hätte auch nur einer von beiden in die falsche Richtung geblickt, Mike hätte keine Chance gehabt, doch noch bevor er sich wieder zurückziehen konnte, waren die Männer schon in einer anderen Tür verschwunden. Gespannt und mit einem Pulsschlag, den er bis in den Kopf fühlen konnte, verharrte er dort, wo er gerade stand, und lauschte in die Schlachthalle hinein. Erst herrschte absolute Stille, dann hörte er das leise Aufheulen eines Motors und entspannte sich ein wenig. Offenbar hatten die beiden Männer ihren Job erledigt und fuhren wieder weg.
Langsam und immer wieder die Deckung von großen, herumstehenden Eisenwannen nutzend, durchquerten die beiden Kommissare die Halle und standen schließlich neben der Tür. Jetzt konnte Natalie das Schild lesen und übersetzte: »Zutritt zu den Kellerräumen nur für Berechtigte!«
»Hast du eine Lampe dabei?«, flüsterte Mike, der schon so seine Erlebnisse im dunklen Untergrund hatte.
»Nur die kleine«, erwiderte Natalie, was Mike aber genügte. Vorsichtig zog er die schwere Feuerschutztür einen Spalt weit auf, blickte durch die Ritze und öffnete sie schließlich ganz. Mit einem Handzeichen deutete er Natalie, ihm zu folgen, und verschwand durch die Tür.
Schweigend folgten sie den nackten Betonstufen hinunter in den Keller des Gebäudes, wo sie nach zwei Wendungen der Treppe wieder auf eine Feuerschutztür stießen. Mike öffnete auch diese Tür und war erstaunt. Eigentlich hatte er so etwas wie einen Lagerkeller erwartet, doch stattdessen schien sich hier eine andere Welt zu öffnen. Vor ihm lag ein hell erleuchteter, weiß gestrichener Gang, von dem nach beiden Seiten Türen abgingen. Ungefähr zwanzig Meter weiter, und damit genau in der Mitte, gab es eine größere Ausbuchtung, in der zwei leere, nicht mehr ganz moderne Krankenhausbetten standen. Neben dem leisen Summen der Beleuchtung hörte Mike noch einen regelmäßig wiederkehrenden Piep-Ton und eine einzelne Männerstimme, die aus einem der geschlossenen Räume kommen musste.
Mike deutete Natalie, still zu sein, öffnete den Zugang etwas weiter und ging vorsichtig bis zu der ersten Tür auf der linken Seite. Dort warf er einen schnellen Blick durch das eingelassene Fenster und wurde an eine Apotheke erinnert. In langen Regalreihen, ordentlich eingeräumt, gab es dort alle erdenklichen medizinischen Gerätschaften auf der einen, und zahllose Medikamente auf der anderen Seite.
Mike wollte gerade weitergehen, als Natalie an ihm vorbeigriff, die Türklinke herunterdrückte und ihn in den Raum schob. Dann zog sie ihn in die Hocke und schloss die Tür von innen. Fast im selben Augenblick hörten sie, wie draußen auf dem Gang eine andere Tür geöffnet und die Stimme des Mannes lauter wurde. Da eine zweite Stimme fehlte, vermutete Mike, dass der Mann mit jemand telefonierte.
Kurz vor dem Raum, in dem sich die beiden Kommissare befanden, erstarb das Geräusch der Schritte und die Stimme wurde wütender, dann entfernte sich der Mann wieder, doch nur, um kurz darauf wiederzukommen. Als die Stimme erneut leiser wurde, wagte es Mike
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