Franley, Mark
Arm los und zischte: »Berühren Sie mich nie wieder.« Hierauf traten die Männer zur Seite und ließen die beiden Kommissare weitergehen.
Als sie außer Hörweite waren, fragte Natalie: »Was war das denn gerade?« Statt zu antworten, zog Mike seine Hand aus der Tasche und bat: »Kannst du mir mal eines dieser Tütchen geben, ich habe meine vergessen.« Erst jetzt bemerkte Natalie, dass zwischen Mikes Fingern ein Haar herausschaute, und er erklärte: »Probe Nummer eins.«
Wie abgesprochen erreichten sie die kurze Treppe des Haupteinganges gerade, als die ersten dicken Tropfen fielen. Ein Mann in schwarzem Anzug wollte sie hineinbitten, doch sie lehnten ab und warteten stattdessen etwas seitlich der großen Tür.
»Nette Hütte«, stellte Mike fest, nachdem er einen Blick in den großen, mit kunstvollem Mosaikboden ausgestatteten Eingangsbereich geworfen hatte.
»So lebt man, wenn man skrupellos ist«, erwiderte Natalie und Mike glaubte Wut in ihrer Stimme zu hören. Doch statt darauf einzugehen, fragte er: »Glaubst du, sie versucht es heute?«
Seine Partnerin sah ihn irritiert an: »Wer versucht was?«
»Na, unsere Mörderin. Glaubst du, sie wagt sich in die Höhle des Löwen? Ich bin überzeugt, dass dieser Petrov ein Teil ihres Motives ist, und eine solche Veranstaltung ist eine der wenigen Möglichkeiten, an so einen Mann heranzukommen.«
Natalie dachte einen Augenblick nach, dann schüttelte sie den Kopf: »Mit dem Motiv könntest du vielleicht Recht haben, aber heute und hier … nein.« Zu einer weiteren Unterhaltung kamen die beiden Kommissare nicht, da sich auf der Landstraße eine schwarze Limousine näherte, langsamer wurde und schließlich bis knapp vor die Treppe fuhr. Dann ging alles Schlag auf Schlag. Noch bevor sich Mike und Natalie dem Fahrzeug nähern konnten, trat ein Mann aus dem Schloss, der eindeutig der Herr des Hauses war und eine sehr attraktive Frau an seiner Seite hatte. Knapp hinter ihm folgte ein offenbar mies gelaunter Junge, dessen Klamotten trotz seiner vielleicht zwölf Jahre viel zu sehr spannten. Als Letztes folgte noch ein wahrer Hüne von Mann, der sich gegenüber von Mike und Natalie auf der anderen Seite postierte und die beiden misstrauisch musterte.
Nachdem der Innenminister ausgestiegen war und Petrovs Frau begrüßt hatte, schüttelten sich die beiden Männer freundschaftlich die Hand und wechselten einige Worte. Dann zeigte der Minister zur Landstraße, von wo sich nun weitere Fahrzeuge näherten und in einer Reihe vor dem Haupteingang hielten. Da Petrov stehenblieb, um die nächsten Gäste zu begrüßen, nutzten die beiden Kommissare die Gelegenheit, um den Minister an der Tür abzufangen und sich vorzustellen.
»Sie brauchen sich hier keine Sorgen um mich zu machen. Halten Sie sich im Hintergrund und genießen Sie den Abend«, waren seine einzigen Worte an die beiden. Dann wandte er sich seiner Frau zu und verschwand im Inneren des Schlosses, wo kurz hinter Tür ein Champagner gereicht wurde.
»Das zahle ich Karl heim«, flüsterte Mike Natalie zu und betrat ebenfalls die weitläufige Halle. Auch wenn es kein echtes altes Schloss, sondern nur ein Nachbau war, hatte man keine Kosten gescheut. Dunkle Holztäfelungen, prunkvolle Verzierungen und eine geschwungene Freitreppe lieferten die perfekte Illusion. »Wem gehörte das Anwesen eigentlich vorher?«, fragte Natalie leise, als sie den Kellner mit dem Champagner passiert hatten.
»Einem Fabrikanten, der hier im Nachbarort Kaminöfen baute«, gab Mike zurück und fügte noch hinzu: »Aber der Mann ist pleite und sitzt im Gefängnis.«
»Offenbar hat man einen würdigen Nachbewohner gefunden«, stieß Natalie aus, und auch diese Aussage zeigte Mike, dass seine Partnerin genauso wenig von all dem hier hielt. Etwas ungläubig, dass man mit stinknormalen Öfen so viel Geld verdienen konnte, sahen sich beide beinahe ehrfürchtig um.
Es dauerte nicht lange, bis sich die anfangs noch ruhigen Räume mit immer mehr Manschen füllten. Einige kannten die Kommissare aus der Presse, andere hatten sie noch nie gesehen. Aufmerksam musterte Mike jeden der Neuankömmlinge, konnte aber keine Frau entdecken, die auch nur halbwegs zu dem verschwommenen Bild der Überwachungskamera des Arztes passte. Da sie nicht recht wussten, was sie jetzt tun sollten, beschlossen Mike und Natalie, dass es reichte, wenn nur einer in der Nähe des Ministers bleiben würde. Natalie erklärte sich als Erste dazu bereit, so dass Mike sich etwas umsehen
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