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Franny Parker

Franny Parker

Titel: Franny Parker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannah Roberts McKinnon
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Er kam näher.
    »Ruby Miller hat sie hergebracht. Sie ist ’ne Freundin von Grandma Rae.«
    Lucas setzte sich neben mich auf die Schaukel. »Die sind ja niedlich«, sagte er leise.
    »Mama hat mir geholfen, aus einem von Dads alten Flanellhemden einen Beutel zu nähen.«
    Lucas sah ihn sich grinsend an. »Wie ein kleiner Opossum-Schlafsack.«
    »Möchtest du sie mal halten?«, fragte ich. Ich wollte unbedingt, dass er blieb und mit mir redete, und hielt ihm den Beutel wie eine Opfergabe hin. Eine Welle der Erleichterung überflutete mich, als er danach griff.
    Vorsichtig nahm er den Beutel und legte ihn in dieArmbeuge, ganz natürlich, anders, als man es von einem Jungen erwartet hätte. »Sie sind warm«, sagte er.
    Ich beobachtete ihn genau und versuchte die Fragen auszublenden, die wie Glühwürmchen in einem Weckglas in meinem Kopf herumsurrten.
Er ist wieder da
, frohlockte mein Herz.
    Eine Weile saßen wir so da und hörten den Fröschen zu. Lucas redete nicht viel, ich umso mehr. Ich füllte die seltsame Leere um uns und pickte jedes lustige oder traurige Detail der letzten paar Tage auf, das mir einfiel, bis das kalte Unbehagen zwischen uns angefüllt und ausgeschmückt war mit Leben. Ich erzählte ihm von den neuen Patienten, die ich bekommen hatte, wie Pearl und ich am Montag unter der Rauchwolke vom Schwimmbad heimgerannt waren, wie die schwarzen Skelette der Obstbäume unheimlich in den Himmel ragten.
    Während ich so redete, merkte ich, wie er neben mir auf der Schaukel lockerer wurde. Es war, als ob über das Holz Wärme bis in meine Glieder drang. Seine verkniffenen Mundwinkel entspannten sich.
    »Er hat uns ausfindig gemacht«, sagte er schließlich.
    »Aber du hast gesagt …«
    »Ich weiß, was ich gesagt hab.« Er seufzte.
    Ich zog mich etwas zurück. Lucas hatte mich angelogen.
    »Es ist schlecht, wenn er bei uns ist«, sagte er leise.
    Plötzlich wurde mir alles klar. Die wenigen Sachen, das Umziehen, der frisch aufgemalte Name, der wieder vom Postkasten entfernt worden war. Lucas und Lindy wollten nicht gefunden werden. »Ihr zieht doch nicht schon wieder um?«, fragte ich und fürchtete mich bereits vor der Antwort.
    »Ich weiß nicht. Im Moment haben wir noch nicht genug Geld, um neu anzufangen«, sagte er. Es gab so viel, was ich fragen wollte, aber ich wollte ihn nicht gleich wieder von der Veranda und aus unserem Garten verscheuchen. »Meine Familie macht sich um dich und deine Mama Sorgen«, flüsterte ich.
    »Dann sag ihnen, das ist nicht nötig. Ich kümmere mich um alles. Schon bald.«
    Die Fliegentür des Holzhauses flog auf und Lucas zuckte neben mir zusammen.
    »Ich muss gehen«, sagte er. Schnell gab er mir die Opossums zurück. Dabei verfing sich sein Ärmel an der Schaukel und wurde über seinen Unterarm hochgezogen. Seine warme Haut streifte mich. Er zog scharf die Luft ein.
    Ich schaute hin, ehe er bedecken konnte, was ich sah. Eine Reihe Prellungen um das Handgelenk, lilablaue Flecken, die auf seiner hellen Haut gut zu sehen waren. »Lucas!«, rief ich aus.
    Er zerrte den Ärmel runter. »Nicht«, sagte er warnend, seine Stimme klang ärgerlich. Dann etwas weicher: »Bitte nicht.« Und dann verschwand er im Zwielicht.
    »Bestimmt nicht«, versprach ich dem leeren Platz neben mir. Und so saß ich zitternd auf der Schaukel. Es war schlimmer, als ich gedacht hatte, schlimmer, als ich mir je vorgestellt hatte.
    Hinter der Veranda kam Siddas Stimme aus unserem Zimmer. Durch die Fliegentür konnte ich Ben kichern hören, während Dad ihm im Wohnzimmer eine Geschichte vorlas. Zwei Häuser, die nebeneinander am gleichen murmelnden Fluss lagen: eines, das überlief vor warmen Stimmen, die aus den Fenstern quollen, das andere geschüttelt von Traurigkeit, die wie Regenwasser von dem Schindeldach tropfte.
    Nicht
, hatte er gesagt.
    Nicht was? Nicht Fragen stellen? Nicht sagen, was ich gesehen hatte?
Mein Magen drehte sich. Es war egal, was er gemeint hatte. Ich wusste es schon; es war ein Versprechen, das ich nicht lange halten konnte.

Klatschtanten
    W o ist denn deine funkensprühende Freundin?«, wollte Izzy von Mama wissen. Sie nahm einen blauen Flicken vom Tisch und platzierte ihn auf dem Patchworkhimmel.
    Mama seufzte und trat von der Staffelei zum Fenster. Die grauen Augen ihrer gemalten Dame folgten ihr mit argwöhnischem Blick. Eine drückende, düstere Stimmung hatte die Freitagsbienen ergriffen. Mama riss die Fenster auf, aber das schien nur noch mehr Hitze reinzulassen.

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