Franzen, Jonathan
Mutter.
«Klar.»
«Mein
beliebter Sohn.»
«Klar.»
Ein
weiteres Schweigen senkte sich herab, als die Herde zu frischen Wasserstellen
strebte. Joey fühlte sich schmerzlich benachteiligt, als er sie wegtrotten
sah. Er war seinen für das Herbstsemester veranschlagten Ausgaben schon fast um
einen Monat voraus. Er wollte nicht der arme Junge sein, der nur ein Bier
trank, während sich alle anderen sechs genehmigten, aber als Schmarotzer wollte
er auch nicht dastehen. Er wollte dominant und großzügig sein, und dazu
bedurfte es finanzieller Mittel.
«Wie
gefällt Dad sein neuer
Job?» Es war ein Versuch, seine Mutter etwas zu fragen.
«Ganz gut,
glaube ich. Er wird irgendwie wahnsinnig darüber. Plötzlich hat er einen Haufen
Geld von jemand anderem und soll es dafür ausgeben, alles, was er auf der Welt
für falsch hält, in Ordnung zu bringen. Früher konnte er darüber klagen, dass
niemand es in Ordnung brachte. Jetzt muss er alles
selber in Ordnung bringen, was natürlich nicht geht, weil wir ohnehin alle auf
die Katastrophe zusteuern. Um drei Uhr morgens schickt er mir E-Mails. Ich
glaube nicht, dass er viel schläft.»
«Und du?
Wie geht's dir?»
«Ach Gott,
nett von dir, dass du nachfragst, aber das willst du bestimmt nicht wissen.»
«Doch.»
«Nein,
glaub mir, das willst du nicht. Und keine Sorge, es ist nicht böse gemeint.
Kein Vorwurf. Du hast dein Leben, und ich habe meins. Alles ist gut gut gut.»
«Nein,
aber, na ja, was machst du so den ganzen Tag?»
«Also, nur
damit du es weißt», sagte seine Mutter, «das kann eine etwas peinliche Frage
sein. Fast so, als würde man ein kinderloses Paar fragen, warum es keine
Kinder hat, oder jemand Unverheiratetes, warum er nicht verheiratet ist. Bei
bestimmten Fragen, die dir ganz harmlos erscheinen, musst du vorsichtig sein.»
«Hm.»
«Ich hänge
gerade etwas in der Luft», sagte sie. «Ich finde es schwierig, in meinem Leben
groß etwas zu verändern, wenn ich doch weiß, dass ich bald umziehen werde.
Immerhin habe ich ein kleines Kreatives-Schreiben-Projekt angefangen, zu meinem
privaten Zeitvertreib. Außerdem muss ich dafür
sorgen, dass das Haus wie eine Pension aussieht, falls ein Makler mit einem
potenziellen Opfer vorbeischaut. Ich verbringe viel Zeit damit, darauf zu
achten, dass die Zeitschriften schön aufgefächert sind.»
Joeys Gefühl der Beraubtheit, wich einem der Verärgerung, weil sie, egal,
wie sehr sie es abstritt, offenbar nicht anders konnte, als ihm
Vorwürfe zu machen. Diese Moms und ihre
Vorwürfe, es nahm kein Ende. Er rief an, um sie um ein wenig Unterstützung zu
bitten, und ehe er sich's versah, ließ er es schon an Unterstützung für sie
fehlen.
«Und wie
steht's mit dem Geld?», sagte sie, als spürte sie seine Verärgerung. «Hast du
genug?»
«Es ist
ein bisschen knapp», räumte er ein. «Kann ich mir denken!»
«Sobald
ich hier gemeldet bin, wird die Studiengebühr deutlich geringer. Bloß im ersten
Jahr ist es richtig hart.»
«Soll ich
dir etwas schicken?»
Er
lächelte im Dunkeln. Trotz allem mochte er sie; er konnte nicht anders. «Ich
dachte, Dad hat
gesagt, es gibt kein Geld.»
«Dad muss nicht unbedingt jede Kleinigkeit erfahren.»
«Na, und
die Uni betrachtet mich nicht als Bürger des Bundesstaates, wenn ich etwas von
dir annehme.»
«Auch die
Uni muss nicht alles erfahren. Ich könnte
dir einen Barscheck schicken, wenn dir das was hilft.»
«Ja, und
was dann?»
«Nichts
dann. Versprochen. Keine weiteren Verpflichtungen. Ich finde, du hast deine
Einstellung Dad gegenüber schon deutlich gemacht. Es ist nicht notwendig,
grässliche Schulden zu einem hohen Zinssatz aufzunehmen, nur um eine
Einstellung, die man schon deutlich gemacht hat, immer weiter unter Beweis zu
stellen.»
«Ich werde
drüber nachdenken.»
«Weißt du
was, ich stecke dir einfach einen Scheck in die Post. Dann kannst du selber
entscheiden, ob du ihn einlösen willst. Das musst du dann auch nicht mit mir
besprechen.»
Wieder
lächelte er. «Warum tust du das?»
«Ach,
weißt du, Joey, ob du's glaubst oder nicht, ich möchte, dass du ein Leben
führst, wie du es führen willst. Ich hatte genügend Zeit, mir einige Fragen zu
stellen, während ich Zeitschriften auf dem Couchtisch aufgefächert habe und was
sonst noch alles. Zum Beispiel die, ob ich, wenn du Dad und mir sagen würdest,
dass du uns dein ganzes weiteres Leben lang nie wiedersehen willst, noch immer
wollen würde, dass du glücklich bist.»
«Das ist
eine
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