Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Franzen, Jonathan

Franzen, Jonathan

Titel: Franzen, Jonathan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Freihheit
Vom Netzwerk:
Möglichkeit, die es gibt?»
    «Du
verstehst nicht, welche Angst die jungen Leute heutzutage haben. Die stehen
unter einem solchen Druck. Also feiern sie eben auch mal kräftig - na und?»
    Die
Klimaanlage der alten Villa war chancenlos gegen die Feuchtigkeit, die von
außen auf sie drückte. Es donnerte nun ununterbrochen und aus allen
Richtungen; die Chinesische Wildbirne vor dem Fenster schwenkte die Äste, als
kletterte jemand in ihr. Schweiß lief Walter über jeden Körperteil, der keinen
unmittelbaren Kontakt mit seinen Kleidern hatte.
    «Wie
interessant, dass du plötzlich junge Leute verteidigst», sagte er, «wo du
normalerweise doch so -»
    «Ich
verteidige deinen Sohn», sagte sie. «Der, falls es dir noch
nicht aufgefallen sein sollte, keiner dieser hirnlosen Flipflopträger ist. Er
ist erheblich interessanter als -»
    «Ich fasse es nicht,
dass du ihm Geld zum Saufen schickst! Weißt du, woran mich das erinnert? An
Unternehmenssubventionierung. All die angeblich marktwirtschaftlichen
Unternehmen saugen an den Zitzen der Bundesregierung. Einfluss des Staates vermindern, wir wollen keine Regulierungen, wir wollen
keine Steuern, aber, ach, übrigens ->»
    «Das ist
nicht an Zitzen saugen, Walter», sagte Patty voller
Hass.
    «Das war
eine Metapher.»
    «Na, und
ich sage, da hast du dir ja eine interessante Metapher ausgesucht.»
    «Und ich
habe sie mit Bedacht gewählt. Diese ganzen Unternehmen, die sich so gestanden
und marktwirtschaftlich geben, das sind doch in Wahrheit große Babys, die den
Bundesetat aussaugen, während alle anderen hungern. Dem Fish and Wildlife
Service wird Jahr für Jahr der Etat gekürzt, jedes Jahr um weitere fünf
Prozent. Geh mal zu den Außenstellen von denen, das sind jetzt Geisterbüros. Es
gibt keine Mitarbeiter mehr, es gibt kein Geld für Landerwerb, kein -»
    «Oh, die
kostbaren Fische. Die kostbaren wilden Tiere.»
    «DIE SIND
MIR WICHTIG. Begreifst du das denn nicht? Kannst du das nicht respektieren?
Wenn du das nicht respektieren kannst, warum lebst du dann mit mir zusammen?
Warum gehst du nicht einfach?»
    «Weil
Gehen nicht die Antwort ist. Mein Gott, glaubst du etwa,
ich hätte mir das nicht schon mal überlegt? Mit meinen tollen Kenntnissen,
meiner tollen Arbeitserfahrung und meinem tollen mittelalten Körper auf den
freien Markt zu gehen? Ich finde es ja wunderbar, was du für deinen Waldsänger
tust -»
    «Quatsch.»
    «Na gut,
es ist nicht gerade mein persönliches Anliegen, aber -»
    «Und was
ist dein persönliches Anliegen? Du hast gar keins.
Du sitzt rum und tust
nichts, nichts, nichts, nichts, Tag für Tag, und das macht mich fertig. Würdest
du dir eine Arbeit suchen und ein echtes Gehalt verdienen oder was für einen
anderen Menschen tun, statt in deinem Zimmer zu hocken und dich zu bemitleiden,
dann würdest du dich vielleicht auch weniger wertlos fühlen, sag ich mal.»
    «Schön,
aber, Schatz, mir will eben keiner
hundertachtzigtausend im Jahr zahlen, um den Waldsänger zu retten. Eine hübsche
Arbeit, wenn man sie kriegt. Aber ich kriege sie eben nicht. Soll ich etwa bei
Starbucks Frappuccinos machen? Glaubst du, nach acht Stunden bei Starbucks
steigt mein Selbstwertgefühl?»
    «Wer weiß!
Vielleicht versuchst du's mal? Was du nie getan hast, in deinem ganzen Leben
nicht!»
    «Oh, jetzt
kommt's raus! Endlich kommen wir zur Sache!»
    «Ich hätte
nie zulassen sollen, dass du zu Hause bleibst. Das war der Fehler. Ich weiß
nicht, warum deine Eltern nie dafür gesorgt haben, dass du arbeiten gehst,
aber -»
    «Ich habe
gearbeitet! Verdammt, Walter.» Sie trat nach ihm und
verfehlte nur zufällig sein Knie. «Ich habe einen ganzen schrecklichen Sommer
lang für meinen Dad gearbeitet. Und dann hast du mich an der Uni gesehen, du
weißt, dass ich es kann. Ich habe dort zwei volle Jahre gearbeitet. Noch als
ich im achten Monat war, bin ich hingegangen.»
    «Du hast
mit dieser Treadwell rumgehangen und Kaffee getrunken und Videos von Spielen
geguckt. Das ist keine Arbeit, Patty. Da haben dir Leute, die dich mögen, einen
Gefallen getan. Erst hast du für deinen Dad gearbeitet, dann für deine
Freundinnen im Fachbereich Sport.»
    «Und
sechzehn Stunden täglich zu Hause, zwanzig Jahre lang? Unbezahlt? Zählt das
etwa nicht? War das auch nur ein ? Deine Kinder großzuziehen?
Dein Haus in Schuss zu halten?»
    «Das hast du doch alles
gewollt.»
    «Du etwa
nicht?»
    «Für dich.
Ich wollte es für dich.»
    «Ach,
Quatsch, Quatsch,

Weitere Kostenlose Bücher