Franzen, Jonathan
vielleicht aber wollte er auch nur ein wenig Wut abladen bei jemandem,
den er liebte.
«Oh,
hallo», sagte Patty. «Ich hatte nicht erwartet, von dir zu hören. Ist alles in
Ordnung?»
«Alles ist grauenhaft.»
«Kann ich
mir denken! Es ist schwer, immerzu nein zu sagen, wo du doch ja sagen möchtest,
stimmt's?»
«O Gott,
fang nicht damit an», sagte er. «Fang bitte um Gottes willen heute Abend nicht
damit an.»
«Entschuldige.
Ich wollte nur Verständnis zeigen.»
«Ich habe
es hier mit einem beruflichen Problem zu tun, Patty. Nicht bloß
mit irgendeiner belanglosen kleinen persönlichen Gefühlsangelegenheit, ob du's
glaubst oder nicht. Mit ernsten beruflichen
Schwierigkeiten, weshalb ich ein wenig Bestätigung gebrauchen
könnte. Jemand, der bei der Besprechung heute Vormittag dabei war, hat etwas an
die Presse weitergegeben, und ich muss jetzt
einer Geschichte zuvorkommen, von der ich mir gar nicht mehr sicher bin, ob ich
ihr überhaupt zuvorkommen will, weil ich längst glaube, dass ich hier alles
vermasselt habe. Dass ich nichts anderes zuwege gebracht habe, als 6000 Hektar
dafür freizugeben, dass man sie zu einer Mondlandschaft sprengt, und jetzt muss die Welt darüber informiert werden, und dabei interessiert mich das
Projekt überhaupt nicht mehr.»
«Tja,
also», sagte Patty, «das mit der Mondlandschaft hört sich ja ziemlich schlimm
an.»
«Danke!
Vielen Dank für die Bestätigung!»
«Erst
heute Morgen habe ich einen Artikel darüber in der Times gelesen.»
«Heute?»
«Ja, sie
haben auch deinen Waldsänger erwähnt, und wie schädlich der Gipfelabbau für
ihn ist.»
«Unfassbar!
Heute?»
«Ja,
heute.»
«Mist!
Jemand muss den Artikel heute in der Zeitung
gelesen und dann den Journalisten mit den Informationen versorgt haben. Gerade
vor einer halben Stunde habe ich von ihm gehört.»
«Na, wie
auch immer», sagte Patty, «du weißt darüber bestimmt am besten Bescheid, wobei
Gipfelabbau schon ziemlich schrecklich klingt.»
Er legte
sich die Hand auf die Stirn, war wieder den Tränen nahe. Er fasste es nicht,
dass er sich das von seiner Frau anhören musste, zu dieser Stunde, ausgerechnet
an diesem Tag. «Seit wann bist du denn so ein Fan der Times?», sagte er.
«Ich sage
nur, dass es ziemlich schlimm klingt. Anscheinend gibt es sogar nicht einmal
Meinungsverschiedenheiten darüber, wie schlimm es ist.»
«Du bist
doch diejenige, die sich über ihre Mutter lustig gemacht hat, weil sie alles
glaubte, was in der Times steht.»
«Hahaha!
Bin ich jetzt meine Mutter? Weil mir Gipfelabbau nicht gefällt, bin ich
plötzlich Joyce?»
«Ich sage
nur, dass es auch noch andere Aspekte der Geschichte gibt.»
«Du
findest, wir sollten mehr Kohle verbrennen. Es leichter machen, Kohle zu
verbrennen. Trotz der Erderwärmung.»
Er ließ
die Hand auf die Augen hinuntergleiten und drückte sie, bis sie schmerzten.
«Soll ich dir den Grund dafür erklären? Soll ich das?»
«Wenn du
willst.»
«Wir
steuern auf eine Katastrophe zu, Patty. Auf den totalen Kollaps.»
«Na ja,
mal ehrlich, ich weiß nicht, wie es für dich ist, aber so langsam hört sich das
für mich nach einer Erleichterung an.»
«Ich rede
hier nicht von uns!»
«Hahaha!
Das habe ich doch glatt missverstanden. Ich habe wirklich nicht kapiert, was
du da gemeint hast.»
«Ich habe
gemeint, dass die Weltbevölkerung und der Energieverbrauch irgendwann
drastisch abnehmen müssen. Wir sind doch schon längst nicht mehr zukunftsfähig.
Wenn der Kollaps kommt, wird es für die Ökosysteme noch ein Zeitfenster geben,
sich zu erholen, aber nur, wenn dann überhaupt noch Natur übrig ist. Die große
Frage ist also, wie viel von der Erde vor dem Kollaps zerstört wird. Verheizen
wir sie vollständig und fällen jeden Baum und lassen die Weltmeere kippen und
kollabieren dann? Oder wird es noch unzerstörte Areale geben, die sich gehalten
haben?»
«Wie auch
immer, bis dahin sind wir beide längst tot», sagte Patty.
«Na, bevor
ich tot bin, versuche ich, ein solches Areal zu schaffen. Eine Zuflucht.
Etwas, was ein paar Ökosystemen helfen kann, es durch den Engpass
hindurchzuschaffen. Darum geht es bei diesem Projekt doch.»
«Also»,
fuhr sie unbeirrt fort, «da droht eine weltweite Seuche auszubrechen, und es
gibt eine lange Schlange für Tamiflu oder Cipro, und du lässt uns die beiden
Allerletzten in der Schlange sein. verflixt, ist jetzt gerade alle geworden.>
Und wir sind nett und artig und
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