Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Franzen, Jonathan

Franzen, Jonathan

Titel: Franzen, Jonathan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Freihheit
Vom Netzwerk:
überlegt? Es würde das ganze Problem, na, auf der Stelle lösen.»
    «Also, das
wird nie passieren, deshalb -»
    «ICH WEISS,
DASS ES NIE PASSIEREN WIRD.»
    «Oh! Oh!
Oh! Oh!»
    «Also kann
ich mir genauso gut ein paar Titten kaufen, damit die Jahre besser vorübergehen
und ich etwas habe, wofür ich meine Pennys sparen kann, mehr sag ich ja gar
nicht. Ich rede auch nicht von grotesk großen. Womöglich gefallen sie dir ja
sogar. Hast du dir das schon mal überlegt?»
    Walter
fürchtete die langfristige Toxizität, die sie mit ihren Streitereien schufen.
Er spürte, dass sie sich in ihrer Ehe ansammelte wie der Kohlenschlamm, der in
den Tälern der Appalachen Teiche bildete. Wo es, wie im Wyoming County, richtig ausgedehnte Kohleflöze gab, errichteten die Kohlekonzerne
direkt neben ihren Minen Aufbereitungsanlagen und wuschen die Kohle mit Wasser
aus dem nächstgelegenen Bach. Das verunreinigte Wasser wurde in großen
Giftschlammteichen aufgefangen, und Walter machte sich inzwischen derartige
Sorgen über mögliche Schlammbecken mitten im Waldsängerpark, dass er Lalitha
beauftragt hatte, ihm zu zeigen, wie er solche Gedanken tunlichst vermeiden konnte.
Das war keine leichte Aufgabe gewesen, da man nicht darum herumkam, dass man,
wenn man Kohle förderte, auch hässliche Chemikalien wie Arsen und Kadmium, die
Jahrmillionen sicher vergraben waren, an die Oberfläche brachte. Man konnte
zwar versuchen, das Gift in aufgegebene Schächte zu kippen, doch sickerte es
von dort ins Grundwasser und landete dann im Trinkwasser. Es verhielt sich
ganz ähnlich wie mit der Scheiße, die aufgewühlt wurde, wenn Eheleute stritten:
Waren bestimmte Dinge erst einmal gesagt, wie konnten sie je wieder vergessen
werden? Lalitha war in der Lage, hinreichend zu recherchieren, um Walter zu
versichern, dass der Schlamm, sofern er sorgfältig getrennt und ordnungsgemäß
gebunden wurde, schließlich so weit austrocknete, dass man ihn mit Schotter und
Ackerboden bedecken und so tun konnte, als wäre er gar nicht da. Diese
Geschichte war zu seinem Schlammteich-Evangelium geworden, zu dessen
Verbreitung in West Virginia er wild entschlossen war. Er glaubte daran, so wie
er auch an die ökologischen Schutzareale und die wissenschaftlich fundierte
Renaturierung glaubte, weil er daran glauben musste, wegen Patty. Nun aber, als
er da auf der feindseligen Days-Inn-Matratze zwischen den kratzigen
Days-Inn-Laken lag und Schlaf suchte, überlegte er, ob das alles überhaupt
stimmte...
    Irgendwann
war er wohl weggedämmert, denn als um 3 Uhr 40 der Wecker klingelte, fühlte er
sich grausam aus dem Vergessen gerissen. Nun lagen wieder achtzehn lange
Stunden voller Furcht und Wut vor ihm. Um Punkt vier Uhr klopfte Lalitha an
seine Tür; in ihren Jeans und Wanderschuhen sah sie frisch aus. «Mir geht's
beschissen!», sagte sie. «Und dir?»
    «Auch
beschissen. Immerhin sieht man es dir nicht an so wie mir.»
    In der
Nacht hatte der Regen aufgehört, war einem dichten, nach Süden riechenden Nebel
gewichen, der kaum weniger nässte. Beim Frühstück in einem Truckerimbiss
gegenüber dem Motel erzählte Walter Lalitha von der E-Mail Dan Capervilles, des Times-Redaktems.
    «Willst du
jetzt nach Hause?», sagte sie. «Und die Pressekonferenz morgen Vormittag
abhalten?»
    «Ich habe
Caperville geschrieben, ich gebe sie am Montag.»
    «Du
könntest ihm auch mitteilen, dass du sie vorverlegt hast. Bring's hinter dich,
damit wir das Wochenende davon freihalten.»
    Doch
Walter war so quälend erschöpft, dass er sich nicht vorstellen konnte, am
nächsten Vormittag eine Pressekonferenz zu geben. Er saß da und litt stumm,
während Lalitha das tat, wozu ihm in der Nacht der Mut gefehlt hatte - sie las
den Times-Artikel auf ihrem BlackBerry. «Es sind nur zwölf Absätze», sagte sie.
«Nichts Schlimmes.»
    «Wahrscheinlich
hat ihn deshalb keiner sonst gesehen, weswegen ich mir von meiner Frau davon
erzählen lassen musste.»
    «Dann hast
du also gestern Abend noch mit ihr gesprochen.»
    Lalitha
schien damit etwas zu meinen, aber er war zu müde, um sich zu überlegen, was.
«Ich möchte nur wissen, wer die undichte Stelle war», sagte er. «Und wie viel
durchgesickert ist.»
    «Vielleicht
war es ja deine Frau.»
    «Klar.» Er
lachte und sah dann die Härte in Lalithas Blick. «So etwas würde sie nicht
tun», sagte er. «Es ist ihr ohnehin nicht wichtig genug.»
    «Hm.»
Lalitha biss von einem Pancake ab und sah
sich mit derselben harten, unglücklichen Miene in

Weitere Kostenlose Bücher