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Franzen, Jonathan

Franzen, Jonathan

Titel: Franzen, Jonathan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Freihheit
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Sein erster Gedanke, als sein Blick auf das merkwürdige Ziffernbild
monatlicher Entnahmen von 500 Dollar fiel, war, dass ihn ein Hacker aus
Nigeria oder Moskau bestohlen hatte. Aber sicher wäre das doch Patty
aufgefallen?
    Er ging
nach oben in ihr kleines Zimmer, wo sie fröhlich mit einer ihrer alten
Basketball-Freundinnen plauschte - noch immer sprühte sie im Beisein all derer
in ihrem Leben, die nicht Walter waren, vor Gelächter und Esprit -, und gab
ihr zu verstehen, er werde nicht gehen, bis sie ihr Telefonat beendet habe.
    «Das war
für Bargeld», sagte sie, als er ihr den Ausdruck der Kontobewegungen zeigte.
«Ich habe mir Barschecks ausgeschrieben.»
    «Fünfhundert
im Monat? An jedem Monatsende?»
    «Da hebe
ich immer mein Bargeld ab.»
    «Nein, du
hebst alle zwei Wochen zweihundert ab. Ich weiß, wie deine Abhebungen aussehen.
Und da ist auch noch eine Gebühr für einen beglaubigten Scheck. Am fünfzehnten
Mai?»
    «Ja.»
    «Das
klingt mir nach einem beglaubigten Scheck, nicht nach Bargeld.»
    Aus der
Richtung des Marine-Observatoriums, der Gegend, in der Dick Cheney wohnte,
grollte der Donner an einem Abendhimmel von der Farbe des Potomac-Wassers.
Patty, auf ihrem kleinen Sofa, verschränkte trotzig die Arme. «Na gut!», sagte
sie. «Du hast mich erwischt! Joey musste die gesamte Miete für den Sommer im
Voraus bezahlen. Sobald er etwas verdient, zahlt er es zurück, aber er hatte
gerade nicht genug Geld.»
    Den
zweiten Sommer infolge arbeitete Joey in Washington, wohnte aber nicht zu
Hause. Dass er ihre Hilfe und Gastlichkeit verschmähte, verärgerte Walter
schon genug, schlimmer noch war jedoch die Identität seines
Sommerarbeitgebers: ein korruptes kleines Start-up-Unternehmen - finanziell
unterstützt (was für Walter zu der Zeit allerdings ohne Bedeutung war) von Vin Havens Freunden bei LBI -, das den Zuschlag für den nicht ausgeschriebenen
Auftrag, die Brotindustrie im frisch befreiten Irak zu privatisieren, erhalten
hatte. Walter und Joey hatten ihren großen Streit darüber schon einige Wochen
zuvor ausgetragen, am Vierten Juli, als Joey zum Picknick gekommen war und sehr
verspätet seine Sommerpläne offenbart hatte. Walter hatte die Beherrschung
verloren, Patty war auf ihr Zimmer gerannt und hatte sich eingesperrt, und Joey
hatte dagesessen und sein hämisches Republikanergrinsen aufgesetzt. Sein
Wall-Street-Grinsen. Als wäre er nachsichtig gegenüber seinem dummen,
vertrottelten Vater mit den altmodischen Prinzipien, als wüsste er sowieso
alles besser.
    «Wir haben
hier ein sehr schönes Zimmer», sagte Walter zu Patty, «aber das ist ihm ja
nicht gut genug. Das wäre ja nicht erwachsen genug. Nicht cool genug. Da müsste
er ja womöglich mit dem Bus zur Arbeit fahren! Zusammen mit den kleinen
Leuten!»
    «Er muss seinen Wohnsitz in Virginia behalten, Walter. Und er zahlt es zurück,
ja? Ich wusste, was du sagen würdest, also habe ich es ihm gegeben, ohne dich
zu fragen. Wenn du nicht willst, dass ich eigenständig Entscheidungen treffe,
dann nimm mir das Scheckbuch eben weg. Und die Bankkarte dazu. Dann komme ich
zu dir, wenn ich Geld brauche, und bettle darum.»
    «Jeden
Monat! Du hast ihm jeden Monat Geld geschickt! Dem Herrn Unabhängig!»
    «Ich leihe ihm etwas
Geld. Ja? Praktisch alle seine Freunde haben unbegrenzte Mittel. Er lebt sehr
bescheiden, aber wenn er diese Kontakte knüpft und in dieser Welt -»
    «Dieser
großartigen Studentenverbindungswelt, voll der besten Leute -»
    «Er hat
einen Plan. Er hat einen Plan und will dich
beeindrucken -»
    «Das wäre
mir neu!»

«Es ist
doch nur für Kleidung und Kontaktpflege», sagte Patty. «Seine Studiengebühren
bezahlt er selbst, sein Zimmer samt Verpflegung bezahlt er selbst, und
vielleicht, solltest du ihm je verzeihen können, dass er keine identische
Kopie von dir ist, fällt dir ja mal auf, wie ähnlich ihr euch seid. Als du in
seinem Alter warst, hast du ganz genauso auf eigenen Füßen gestanden.»
    «Richtig,
nur dass ich vier Collegejahre lang dieselben drei Cordhosen getragen habe und
nicht fünf Abende die Woche einen trinken ging und schon gar nicht Geld von
meiner Mutter bekam.»
    «Tja,
Walter, die Welt ist anders geworden. Und vielleicht, vielleicht, versteht er ja besser als du, was man tun muss, um in ihr voranzukommen.»
    «Für einen
Militärzulieferer arbeiten, sich jeden Abend mit republikanischen
Verbindungsbrüdern besaufen. Ist das wirklich die einzige Art voranzukommen?
Ist das die einzige

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