Franzen, Jonathan
kräftigen Stuhlgang, weswegen das Anwesen als Kulturdenkmal
ausgewiesen wurde, was den Aufschlag von hunderttausend Dollar erklärt, den
seine Besitzer verlangen. Vor dem Küchenfenster steht übrigens eine kleine,
aber ziemlich hübsche Azalee.> Dann kann ich auch Pink und Grün und einen Burberrymantel tragen. Und von meiner ersten großen
Provision kaufe ich mir einen Lexus-Geländewagen. Das ist dann angemessener.»
«Ich
sagte, dann nimm ihn.»
«Danke,
Schatz! Danke, dass du mich den Job annehmen lässt, den ich annehmen will!»
Walter sah
ihr nach, als sie durch die Tür schritt und vor Lalithas Schreibtisch
stehenblieb. «Hallo, Lalitha», sagte sie. «Ich habe gerade einen Job aufgetan.
Ich arbeite jetzt in meinem Fitnessclub.»
«Das ist
aber schön», sagte Lalitha. «Diesen Fitnessclub magst du ja.»
«Ja, aber
Walter findet es unangemessen. Was meinst du?»
«Ich
finde, jede ehrliche Arbeit kann einem Menschen Würde geben.»
«Patty», rief
Walter. «Ich sagte, nimm ihn.»
«Sieh an,
jetzt hat er seine Meinung geändert», sagte sie zu Lalitha. «Davor hat er
gesagt, es sei unangemessen.»
«Ja, das
habe ich gehört.»
«Genau,
hahaha, das kann ich mir denken. Aber es ist wichtig, so zu tun, als ob es
anders wäre, nicht?»
«Lass die
Tür nicht offen, wenn du nicht gehört werden willst», sagte Lalitha kühl.
«Wir
müssen uns alle richtig Mühe geben, so zu tun, als ob.»
Dass Patty
nun bei Republic of Health
Empfangsdame war, leistete für ihre Stimmung all das, was Walter sich für sie
von einem Job erhofft hatte. All das und, je nun, noch mehr. Ihre Depression
schien sich sogleich zu verflüchtigen, was aber nur zeigte, wie leicht das Wort
«Depression» in die Irre führte, denn Walter war überzeugt, dass
Unzufriedenheit, Wut und Verzweiflung unter ihrer fröhlich-fragilen neuen
Wesensart noch immer gegenwärtig waren. Die Vormittage verbrachte sie in ihrem
Zimmer, machte dann die Nachmittagsschicht im Club und kam erst nach zehn nach
Hause. Sie begann, Schönheits- und Fitnessmagazine zu lesen und sich an den
Augen auffallend zu schminken. Die Jogginghosen und weiten Jeans, die sie in
Washington bislang getragen hatte, jene Art von Schlabberkleidung, in der Psychiatriepatienten
ihre Tage fristen, wichen engeren Jeans, die richtig Geld kosteten.
«Du siehst
umwerfend aus», sagte Walter eines Abends, weil er nett zu sein versuchte.
«Tja, da
ich jetzt Einkünfte habe», sagte sie, «brauche ich doch etwas, wofür ich sie
ausgebe, oder?»
«Du kannst
jederzeit der Wäldsängerberg-Stiftung etwas spenden.»
«Hahaha!»
«Unser
Bedarf ist groß.»
«Ich habe
Spaß, Walter. Ein kleines bisschen Spaß.»
Aber den
Eindruck machte sie nicht. Eher schien es, als wollte sie ihn verletzen,
ärgern oder ihm etwas beweisen. Walter trainierte nun auch selbst im Republic
of Health, mittels eines Stapels Gutscheine, die sie ihm
geschenkt, hatte, und war verstört von der Intensität der Freundlichkeit, mit
der sie die Mitglieder beim Karteneinlesen bedachte. Sie trug provokant
beschriftete Republic-T-Shirts (« push», «sweat»,
«lift ») mit kleinen Ärmelchen, die ihre herrlich geformten
Oberarme betonten. In ihren Augen war ein Speedfreak-Glitzern, und ihr Lachen,
das Walter immer mitgerissen hatte, klang falsch und bedrohlich, wenn es hinter
ihm im Foyer des Clubs erscholl. Jetzt schenkte sie es jedermann, schenkte es
unterschiedslos, bedeutungslos, jedem Mitglied, das von der Wisconsin Avenue
hereinkam. Und eines Tages stieß er dann zu Hause auf ihrem Schreibtisch auf
eine Broschüre über Brustvergrößerung.
«Großer
Gott», sagte er, während er sie durchblätterte. «Das ist doch obszön.»
«Eigentlich
ist es eine medizinische Broschüre.»
«Patty,
eine Broschüre über Geisteskrankheit ist das.
Das ist wie eine Anleitung, wie man noch geisteskränker werden kann.»
«Na,
entschuldige mal, ich dachte bloß, es könnte für den kurzen Rest meiner
relativen Jugend nett sein, ein bisschen Busen zu haben. Zu sehen, wie das so
wäre.»
«Du hast doch schon
einen Busen. Ich finde deinen Busen wunderbar.»
«Ja, alles
gut und schön, mein Schatz, aber du wirst diese Entscheidung nicht treffen,
weil es nicht dein Körper ist. Sondern meiner. Hast du das nicht immer selbst
gesagt? Der Feminist hier bist doch du.»
«Warum
tust du das? Ich verstehe nicht, was du dir da antust.»
«Tja,
vielleicht solltest du einfach gehen, wenn es dir nicht passt. Hast du dir das
schon mal
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