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Franzen, Jonathan

Franzen, Jonathan

Titel: Franzen, Jonathan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Freihheit
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baumelten daran.
    «Warum
hast du nicht reagiert, als ich das erste Mal oben war?», sagte er. «Seit zwei
Stunden sitze ich hier.»
    «Ich war
in Gedanken versunken, vermute ich mal.»
    «Dachtest
du, ich gehe einfach so ins Bett?»
    «Weiß ich
nicht. Ich habe eben gedacht, ohne zu denken, wenn du verstehst, was ich meine.
Immerhin habe ich verstanden, dass du mit mir sprechen willst, und ich wusste,
dass ich es tun muss. Und
deshalb bin ich hier.»
    «Du musst
gar nichts.»
    «Nein,
schon gut, wir sollten reden.» Sie setzte sich ihm gegenüber an den
Bauerntisch. «Hattest du einen schönen Abend? Jessie sagte, ihr wart in einem Konzert.»
    «Wir und
ungefähr achthundert Einundzwanzigjährige.»
    «Hahaha!
Du Ärmster.»
    «Walter
hat's gefallen.»
    «O ja,
bestimmt. Neuerdings begeistert er sich für junge Leute.» Katz sah sich durch
den unzufriedenen Ton ermutigt. «Du nicht, nehme ich an?»
    «Ich? Ganz
sicher nicht. Das heißt, meine Kinder ausgenommen. Meine Kinder mag ich noch
immer. Aber alle anderen? Hahaha!»
    Ihr
erregendes, erhebendes Lachen hatte sich nicht verändert. Doch mit ihrer neuen
Frisur, unter der Schminke an ihren Augen, wirkte sie älter. Es ging immer nur
in eine Richtung, das Altern, und als er es sah, sagte ihm sein auf
Selbstschutz ausgerichtetes Innerstes, er solle die Flucht ergreifen, solange
es noch gehe. Indem er hergekommen war, war er einem Instinkt gefolgt, doch
lagen, wie er jetzt merkte, Welten zwischen einem Instinkt und einem Plan.
    «Was magst
du an ihnen nicht?», sagte er.
    «Ach, na
ja, wo soll ich anfangen?», sagte Patty. «Mit den Flip-flops vielleicht? Mit ihren Flipflops habe ich so meine Probleme. Als wäre
die Welt ihr Schlafzimmer. Und sie hören ihr eigenes Flapp-flapp-Flappen gar
nicht, weil sie alle ihre Gerätschaften dabeihaben, alle haben sie ihre
Kopfhörer im Ohr. Jedes Mal, wenn ich im Begriff stehe, die Nachbarn hier zu
hassen, treffe ich auf dem Gehweg irgendeinen Studenten von der Georgetown University und verzeihe den Nachbarn plötzlich, weil die wenigstens erwachsen
sind. Weil sie wenigstens nicht in Flipflops herumlaufen und verkünden, wie
viel lockerer und vernünftiger sie sind als wir Erwachsenen. Bin ich also so
eine Verklemmte, die lieber nicht die nackten Füße der Leute in der U-Bahn
betrachten will. Denn wer könnte schon etwas dagegen haben, so schöne Zehen zu
sehen? So perfekte Zehennägel? Nur jemand, der leider schon viel zu sehr in den
mittleren Jahren ist, um der Welt den Anblick seiner Zehen aufzudrängen.»
    «Die
Flipflops sind mir noch gar nicht weiter aufgefallen.»
    «Du führst
tatsächlich ein behütetes Leben.»
    Ihr Ton
war irgendwie leiernd und losgelöst, nicht auf eine Weise neckend, mit der er
hätte umgehen können. Seine Erwartung, der die Ermutigung verweigert wurde,
schwand prompt dahin. Schon mochte er Patty etwas weniger, weil sie nicht in
der Verfassung war, in der sie anzutreffen er geglaubt hatte.
    «Und dann
das mit den Kreditkarten?», sagte sie. «Mit einer Kreditkarte einen Hotdog
oder ein Päckchen Kaugummi kaufen? Also, Bargeld ist ja so was von gestern.
Stimmt's? Bargeld verlangt einem ab, dass man addiert und subtrahiert. Man muss dem Menschen, der einem das Wechselgeld rausgibt, richtig Beachtung
schenken. Da muss man ja
einen winzigen Moment lang weniger als einhundert Prozent cool sein und wird
aus der eigenen kleinen Welt gerissen. Aber mit einer Kreditkarte passiert
einem das nicht. Man über reicht sie ungerührt und nimmt sie ungerührt wieder
entgegen.»
    «So waren
die heute Abend schon eher», sagte er. «Nette Teenies, nur ein wenig
ichbezogen.»
    «Dann
gewöhn dich schon mal daran, ja? Jessica sagt, um dich wird es den ganzen
Sommer vor jungen Leuten nur so wimmeln.»
    «Ja,
vielleicht.»
    «Das klang
vorhin aber eher wie
    «Na ja,
ich überlege, ob ich es sausen lasse, genau genommen habe ich es Walter schon
gesagt.»
    Patty
stand auf, um die Teebeutel in die Spüle zu legen, und blieb mit dem Rücken zu
ihm stehen. «Dann könnte das dein einziger Besuch gewesen sein», sagte sie.
«Stimmt.»
    «Tja, dann
sollte es mir wohl leidtun, dass ich nicht früher runtergekommen bin.»
    «Du
könntest mich jederzeit in New York besuchen.»
    «Richtig.
Wenn ich denn mal eingeladen werde.»
    «Jetzt bist
du eingeladen.»
    Mit schmal
gewordenen Augen fuhr sie herum. «Treib keine Spielchen mit mir, ja? Die Seite
von dir will ich nicht haben. Die macht mich krank. Ja?»
    Er

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