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Franzen, Jonathan

Franzen, Jonathan

Titel: Franzen, Jonathan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Freihheit
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und Ganzen fand er, dass seine Entscheidung,
nicht Kopf voraus von der Brücke in Washington zu springen, eine gute
Entscheidung gewesen war. Von den Berglunds frei zu sein erwies sich als
sanfterer und keineswegs unangenehmer Tod, ein Tod ohne Stachel, ein Zustand
lediglich partieller Nichtexistenz, in dem er es fertigbrachte, mit einer
Buchlektorin in den Vierzigern («riesiger, riesiger Fan»), die sich während des
Auftritts von Tutsi Panic an ihn
herangeschmissen hatte, in deren Wohnung zu gehen, seinen Schwanz ein paarmal
in ihr anzufeuchten und sich dann, am nächsten Morgen, auf der Washington
Avenue ein paar Spritzringe zu kaufen und in seinem Pick-up wegzufahren, bevor
die Parkuhrzeit begann.
    Auf seinem
Festnetztelefon war eine Nachricht von Tim und keine von den Berglunds. Er
belohnte sich, indem er vier Stunden lang Gitarre spielte. Der Tag war herrlich
heiß und laut vom Straßenleben, das aus einem langen Winterschlaf erwachte.
Seine linken Fingerspitzen, inzwischen hornhautfrei, bluteten fast schon, doch
die Nerven darunter, mehrere Jahrzehnte zuvor abgetötet, waren noch immer ohne
Regung, was hilfreich war. Er trank ein Bier und ging zu seinem bevorzugten
Gyros-Laden um die Ecke, um sich dort einen Imbiss zu holen und dann gleich
weiterzuspielen. Als er zu seinem Gebäude zurückkam, das Fleisch in der Hand,
saß Patty draußen auf der Treppe.
    Sie trug
einen Leinenrock und eine ärmellose blaue Bluse mit Schweißkreisen fast bis zur
Taille. Neben ihr ein großer Koffer und ein Häufchen Jacken und Mäntel.
    «Na sieh
mal einer an», sagte er.
    «Ich bin
rausgeflogen», sagte sie mit einem traurigen, demütigen Lächeln. «Deinetwegen.»
    Sein
Schwanz, wenn auch kein anderer Teil von ihm, war erfreut über diese
Bestätigung seines Prophezeiungsvermögens.
     
    Schlechte Nachrichten
     
    J onathans
und Jennas Mutter Tamara hatte sich in Aspen verletzt. Bei dem Versuch, einen
Zusammenstoß mit einem freestylenden Teenager zu vermeiden, hatten sich ihre
Skier verkeilt, wodurch sie sich, oberhalb des Stiefels, zwei Knochen im linken
Bein gebrochen und sich von Jennas Januartrip zum Reiten in Patagonien ausgeschlossen
hatte. Für Jenna, die bei Tamaras Abgang Zeugin gewesen und dem Teenager, um
ihn anzuzeigen, nachgefahren war, während Jonathan sich um ihre gestürzte
Mutter gekümmert hatte, war der Unfall nur der neueste Eintrag auf einer langen
Liste von Dingen gewesen, die seit ihrem Abschluss an der Duke im Frühjahr
zuvor schiefgelaufen waren; für Joey hingegen,
der in den letzten Wochen zwei- bis dreimal täglich mit Jenna gesprochen hatte,
war der Unfall ein dringend benötigtes Geschenk der Götter - der Durchbruch,
auf den er gut zwei Jahre hatte warten müssen. Nach der Abschlussprüfung war
Jenna nach Manhattan gezogen, um dort bei einem namhaften Partyplaner zu
arbeiten und den Versuch zu unternehmen, mit ihrem Beinahe-Verlobten Nick
zusammenzuleben, doch im September hatte sie eine eigene Wohnung gemietet und
im November dem anhaltend offenen Druck ihrer Familie und den subtileren
Unterminierungsarbeiten seitens Joeys, der sich
zu ihrem designierten Versteher erkoren
hatte, nachgegeben und ihre Beziehung mit Nick für null und nichtig und
unerneuerbar erklärt. Zu dem Zeitpunkt nahm sie schon eine eher hohe Dosis
Cipralex und hatte nichts in ihrem
Leben, worauf sie sich freuen konnte, außer eben das Reiten in Patagonien, was
mit ihr zu machen Nick wiederholt versprochen und unter Hinweis auf seine
starke Arbeitsbelastung bei Goldman Sachs wiederholt verschoben hatte. Nun
hatte Joey während seines Highschoolsommers
in Montana schon, wenn auch unbeholfen, das eine oder andere Pferd geritten.
Aufgrund der stattlichen Menge von Jennas Anrufen und SMS-Nachrichten auf
seinem Handy vermutete er schon, dass er in den Stand eines Übergangsobjekts,
wenn nicht gar des potenziellen Vollfreundes befördert worden war, und seine
letzten Zweifel wurden zerstreut, als sie ihn einlud, mit ihr das luxuriöse
argentinische Hotelzimmer zu teilen, das Tamara vor ihrem Unfall gebucht hatte.
Da Joey überdies im nahegelegenen Paraguay
geschäftlich zu tun hatte und wusste, dass er wahrscheinlich irgendwann dorthin
musste, ob er wollte oder nicht, sagte er Jenna ohne Zögern zu. Der einzige
echte Einwand dagegen, mit ihr in Argentinien zu reisen, war der Umstand, dass
er fünf Monate zuvor, im Alter von zwanzig Jahren und in einem Anfall von
Wahnsinn in New York, mit Connie Monaghan
aufs Standesamt von Lower

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