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Franzen, Jonathan

Franzen, Jonathan

Titel: Franzen, Jonathan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Freihheit
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Manhattan
gegangen war und sie geheiratet hatte. Doch das war keineswegs die schlimmste
seiner Sorgen, und er beschloss, sie vorerst zu ignorieren.
    Am Abend
vor seinem Abflug nach Miami, wo Jenna zu Besuch bei einer Großmutter war und
sich mit ihm am Flughafen treffen wollte, rief er Connie in St. Paul an und unterrichtete sie von seiner bevorstehenden Reise.
Er bedauerte es, ihr gegenüber Dinge verschleiern und verbergen zu müssen,
andererseits lieferten ihm seine Südamerikapläne einen guten Vorwand, ihren
Umzug an die Ostküste und damit auch ihren Einzug in die an einer Schnellstraße
gelegene Wohnung, die er in einer reizlosen Ecke Alexandrias angemietet hatte,
hinauszuzögern. Bis wenige Wochen zuvor war sein Vorwand noch das College
gewesen, nun aber setzte er ein Semester aus, um sich um seine Geschäfte zu
kümmern, und Connie, die zu
Hause bei Carol und Blake
und ihren kleinen Zwillingshalbschwestern unglücklich war, begriff nicht,
warum sie noch immer nicht mit ihrem Ehemann zusammenleben durfte.
    «Ich
kapiere auch nicht, warum du nach Buenos Aires fliegst», sagte sie, «wo dein
Lieferant doch in Paraguay sitzt.»
    «Ich will
mein Spanisch ein bisschen auffrischen», sagte Joey, «bevor ich es wirklich brauche. Alle reden davon, was für eine tolle
Stadt Buenos Aires ist. Und ich muss sowieso
über Argentinien fliegen.»
    «Und wenn
du dir eine ganze Woche freinimmst, damit wir unsere Flitterwochen dort
verbringen?»
    Die versäumten
Flitterwochen waren einer ihrer zahlreichen wunden Punkte. Joey wiederholte seinen Standardsatz dazu, der besagte, dass er von seinen
Geschäften zu genervt sei, um sich in einem Urlaub entspannen zu können, worauf Connie in eine ihrer Schweigephasen
verfiel, die sie anstelle eines Vorwurfs einsetzte. Nach wie vor machte sie ihm
nie direkte Vorwürfe.
    «Buchstäblich
wohin du willst», sagte er. «Wenn ich erst mein Geld habe, fahre ich mit dir,
wohin du willst.»
    «Ich wäre
schon damit zufrieden, einfach mit dir zusammenzuleben und neben dir
aufzuwachen.»
    «Ich weiß,
ich weiß», sagte er. «Das wäre schön. Nur stehe ich gerade unter einem so
unglaublichen Druck, dass es wahrscheinlich nicht sonderlich spaßig mit mir
wäre.»
    «Es muss nicht spaßig mit dir sein», sagte sie.
    «Wir reden
darüber, wenn ich wieder da bin, ja? Versprochen.»
    Im
telefonischen Hintergrund in St. Paul hörte er schwach das Kreischen einer
Einjährigen. Es war nicht Connies Kind, aber
dazu fehlte so wenig, dass es ihn nervös machte. Seit August hatte er sie nur
einmal gesehen, in Charlottesville, an dem
langen Thanksgiving-Wochenende. Die Weihnachtstage (noch so ein wunder Punkt)
hatte er mit dem Umzug von Charlottesville nach
Alexandria und mit Besuchen bei seiner Familie in Georgetown verbracht. Connie hatte er gesagt, er arbeite hart an seinem Regierungsauftrag,
tatsächlich aber hatte er über Tage hin die Zeit damit totgeschlagen, Football zu sehen, Jenna am Telefon zuzuhören und sich allgemein verloren zu
fühlen. Connie hätte ihn
womöglich doch noch überredet, sie zu ihm fliegen zu lassen, aber dann wurde
sie von einer Grippe flachgelegt. Es hatte ihn bekümmert, ihre matte Stimme zu
hören und ihr, obwohl sie ja seine Frau war, nicht zur Seite springen zu
können, doch er hatte nach Polen gemusst. Seine Erlebnisse in Lodz und Warschau
während dreier frustrierender Tage mit einem amerikanischen
Expat-«Dolmetscher», dessen Polnisch sich bei Bestellungen in Restaurants als
hervorragend herausstellte, bei Verhandlungen mit abgebrühten slawischen
Geschäftsleuten aber stark auf ein elektronisches Übersetzungsgerät angewiesen
war, hatten ihn dann so bestürzt und verängstigt, dass er sich in den Wochen
nach seiner Rückkehr außerstande sah, sich länger als fünf Minuten am Stück auf
seine Arbeit zu konzentrieren. Alles hing jetzt von Paraguay ab. Aber es war
viel angenehmer, sich das Bett vorzustellen, das er mit Jenna teilen würde, als
an Paraguay zu denken.
    «Trägst du
deinen Ehering?», fragte Connie ihn.
    «Äh -
nein», sagte er, bevor er sich eines Besseren besann. «Ich habe ihn in der
Tasche.»
    «Hm.»
    «Ich
stecke ihn gleich drauf», sagte er und drehte sich zu dem Münzteller auf seinem
Nachttisch, auf dem er den Ring abgelegt hatte. Sein Nachttisch war ein
Pappkarton. «Flutscht richtig drauf, toll.»
    «Ich trage
meinen», sagte Connie. «Ich trage
ihn so gern. Ich versuche, daran zu denken, ihn an die rechte Hand zu stecken,
wenn ich nicht in

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