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Franzen, Jonathan

Franzen, Jonathan

Titel: Franzen, Jonathan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Freihheit
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bin eine
ziemlich effiziente Angestellte von dir, und ich hoffe, du bist so nett, mich
meine Arbeit machen zu lassen.»
    Er lief um
seinen Schreibtisch herum und wollte sie in den Arm nehmen, doch sie entwich
ins Vorzimmer.
    Weil er
ihr Temperament und Engagement liebte und von ihrer Wut tief getroffen war,
ritt er nicht weiter darauf herum. Doch als Stunden und dann noch mehrere Tage
vergingen und sie ihm noch immer nicht berichtete, dass Richard von FreiRaum
abgesprungen war, schloss Walter, er sei weiterhin im Boot. Richard, der an einen
Scheißdreck glaubte! Die einzig denkbare Erklärung dafür war, dass Patty mit
ihm telefoniert und ihm ein schlechtes Gewissen eingeredet hatte, damit er den
Plan nicht fallenließ. Und bei der Vorstellung, dass diese beiden überhaupt
über etwas redeten, und sei es nur für fünf Minuten, und dann auch noch darüber
redeten, wie man den «armen Walter» (oh, diese Formulierung von ihr, diese
abscheuliche Formulierung) schonen und sein Lieblingsprojekt, als eine Art
Trostpreis, retten könnte, wurde ihm von seiner Schwäche und Korrumpierbarkeit,
seiner Kompromissbereitschaft und Kleinheit schlecht. Es schob sich auch
zwischen ihn und Lalitha. Ihr Liebesspiel, wenngleich täglich und ausgedehnt,
wurde von seinem Gefühl überschattet, dass auch sie ihn, ein wenig, mit Richard
betrogen hatte, und daher nicht persönlicher, wie es seine Hoffnung gewesen
war. Wohin er sich auch wandte, überall war Richard.
    Ebenfalls
beunruhigend, wenn auch auf andere Weise, war das Problem LBI. Joey hatte bei
ihrem gemeinsamen Abendessen mit einem bewegenden Aufwand an Demut und
Selbstvorwürfen das schmutzige Geschäft erklärt, in das er verwickelt war, und
der Hauptschurke war, in Walters Augen, LBI. Kenny Barties war eindeutig nicht
mehr als einer dieser waghalsigen Kasper, ein Provinzliga-Soziopath, der
bestimmt bald im Gefängnis oder im Kongress landen würde. Der
Cheney-Rumsfeld-Clique, wie sehr ihre Motive für den Einmarsch im Irak auch zum
Himmel stanken, wären brauchbare Lkw-Ersatzteile sicher lieber gewesen als der
paraguayische Schrott, den Joey geliefert hatte. Und Joey selbst, auch wenn er
nicht so dumm hätte sein sollen, sich mit Barties einzulassen, hatte Walter
davon überzeugt, dass er nur Connies wegen
drangeblieben war; seine Loyalität ihr gegenüber, seine schreckliche Reue und
seine Unerschrockenheit im Allgemeinen (er war erst zwanzig!), das alles
sprach für ihn. Verantwortlich war daher LBI - weil die nicht nur über den
Schwindel genau Bescheid wussten, sondern auch die Befugnis hatten, ihn zu
genehmigen. Von dem Ressortchef, mit dem Joey gesprochen hatte, dem, von dem
ihm ein Prozess angedroht worden war, hatte Walter noch nie gehört, aber der
Kerl arbeitete bestimmt auf demselben Flur wie der Kumpel von Vin Haven, der sich bereit erklärt hatte, in West Virginia eine
Schutzwestenfabrik zu bauen. Joey hatte Walter beim Essen gefragt, was er nun
tun solle. Auspacken? Oder seinen Profit einfach einer Hilfsorganisation für
kriegsversehrte Veteranen spenden und wieder aufs College gehen? Walter hatte
ihm versprochen, am Wochenende darüber nachzudenken, doch das Wochenende hatte
sich, um es milde zu formulieren, für eine ruhige Moralreflexion nicht eben als
förderlich erwiesen. Erst als er am Montagvormittag den Journalisten gegenübersaß
und LBI als einen herausragenden, umweltfreundlichen Unternehmenspartner
darstellte, wurde ihm das Ausmaß seiner eigenen Verstrickung bewusst.
    Er
versuchte nun, seine Interessen - den Umstand, dass Vin Haven ihn als Geschäftsführer der Stiftung, dessen Sohn mit seiner
hässlichen Geschichte an die Presse ging, gut und gern feuern und LBI sogar die
West Virginia betreffende Vereinbarung brechen könnte - von dem zu trennen,
was das Beste für Joey war. Wie arrogant und raffgierig sich Joey auch verhalten hatte, schien es ihm doch sehr hart zu sein, einen
zwanzigjährigen Jungen mit problembehafteten Eltern zu bitten, die volle
moralische Verantwortung zu übernehmen und eine öffentliche Schmutzkampagne,
vielleicht sogar einen Prozess über sich ergehen zu lassen. Und trotzdem war
Walter bewusst, dass der Rat, den er Joey also geben wollte - «Spende deinen
Profit einer Hilfsorganisation, leb dein Leben weiter» -, auch für ihn selbst
und die Stiftung äußerst vorteilhaft war. Er wollte Lalitha um Rat fragen, doch
er hatte Joey versprochen, keinem Menschen etwas davon zu erzählen, und so rief
er Joey an und sagte, er denke

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