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Franzen, Jonathan

Franzen, Jonathan

Titel: Franzen, Jonathan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Freihheit
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noch immer nach und ob er und Connie zu seinem Geburtstag
nächste Woche nicht zum Essen kommen wollten. «Auf jeden Fall», sagte Joey.
    «Dann muss ich dir auch noch mitteilen», sagte Walter, «dass deine Mutter und ich
uns getrennt haben. Es fällt mir schwer, dir das zu sagen, aber am Sonntag ist
es passiert. Sie ist für eine Weile ausgezogen, und wir wissen noch nicht, wie
es weitergeht.»
    «Klar»,
sagte Joey.
    Klar? Walter
runzelte die Stirn. «Hast du verstanden, was ich gerade gesagt habe?»
    «Klar. Sie
hat es mir schon erzählt.»
    «Ach ja.
Natürlich. Wie auch nicht. Und hat sie -»
    «Klar. Sie
hat mir einiges erzählt. Zu viel Information, wie immer.»
    «Dann
verstehst du also meine -»
    «Klar.
    «Und du
kommst trotzdem noch an meinem Geburtstag zum Essen?»
    «Klar. Wir
werden auf jeden Fall da sein.»
    «Na, da
danke ich dir, Joey. Ich finde dich wunderbar. Ich finde dich aus vielen
Gründen wunderbar.»
    «Klar.»
    Danach
hinterließ Walter eine Nachricht auf Jessicas Handy, wie er es seit jenem
schicksalhaften Sonntag zweimal täglich getan hatte, ohne dass er von ihr
zurückgerufen worden war. «Jessica, hör zu», sagte er. «Ich weiß nicht, ob du
mit deiner Mutter gesprochen hast, aber egal, was sie dir gesagt hat, du musst
mich zurückrufen und dir anhören, was ich zu sagen habe. Ja? Bitte, ruf zurück.
Es gibt bei dieser Geschichte wirklich zwei Seiten, und ich finde, du sollst
dir beide anhören.» Es wäre nützlich gewesen, hinzufügen zu können, dass
zwischen ihm und seiner Assistentin nichts lief, tatsächlich aber waren seine
Hände, sein Gesicht und seine Nase so imprägniert vom Geruch ihrer Vagina, dass
er sich selbst nach dem Duschen noch schwach hielt.
    Er war
kompromittiert und verlor an allen Fronten. Ein weiterer schwerer Schlag traf
ihn an seinem zweiten Sonntag in Freiheit in Form eines langen Artikels auf
Seite eins der Times von Dan Caperville:
«Kohlefreundliche Landschaftsstiftung zerstört Berge, um sie zu retten». Der
Artikel war rein sachlich nicht allzu unrichtig, aber ganz offenbar hatte sich
die Times von Walters neokonformistischen
Ansichten zum Thema Gipfelabbau nicht betören lassen. Der südamerikanische
Teil des Waldsängerparks kam gar nicht erst vor, und Walters beste Argumente -
neues Paradigma, grüne Ökonomie, wissenschaftlich fundierte Renaturierung -
waren kurz vor dem Ende so gut wie versenkt, noch weit hinter Jocelyn Zorns
Schilderung des Moments, als er «Dieses [Kraftwort] land gehört mir!» gebrüllt hatte, sowie Coyle Mathis' Erinnerung: «Er hat
mir ins Gesicht gesagt, ich wäre dumm.» Abgesehen davon, dass Walter ein
äußerst unangenehmer Mensch war, besagte der Artikel im Wesentlichen, dass die
Waldsängerberg-Stiftung mit der Kohleindustrie und dem Militärzulieferer LBI
kungelte, auf ihrem vermeintlich unberührten Gelände in großem Umfang den
Gipfelabbau zuließ, von den dortigen Umweltschützern gehasst wurde,
alteingesessene Landbewohner aus den Häusern ihrer Vorfahren vertrieben hatte
und von einem öffentlichkeitsscheuen Energiemogul, Vincent Haven, der mit dem stillschweigenden Einverständnis der Regierung Bush andere
Teile West Virginias durch Gasbohrungen zerstörte, gegründet und finanziert
worden war.
    «Doch gar
nicht so übel, gar nicht so übel», sagte Vin Haven, als Walter ihn am Sonntagnachmittag zu Hause in Houston anrief. «Wir
haben unseren Waldsängerpark, den kann uns keiner nehmen. Sie und Ihr Mädchen
haben gute Arbeit geleistet. Und was das andere betrifft, da sehen Sie jetzt,
warum ich nie mit der Presse rede. Bei denen ist alles nur negativ, nichts
positiv.»
    «Ich habe
zwei Stunden mit Caperville gesprochen», sagte Walter. «Ich habe wirklich
geglaubt, er stimmt mir bei den Hauptpunkten zu.»
    «Na, Ihre
Punkte sind auch drin», sagte Vin. «Obwohl sie nicht gleich ins Auge springen.
Aber machen Sie sich da mal keine Sorgen.»
    «Ich mache
mir aber Sorgen! Ja, schon richtig, wir haben den Park, und das ist großartig
für den Waldsänger. Aber das Ganze soll doch ein Modell sein.
Diese Sache liest sich aber wie ein Modell dafür, wie man es nicht macht.»
    «Das gibt
sich wieder. Wenn wir erst mal die Kohle raus haben und mit der Renaturierung
beginnen, erkennen die Leute, dass Sie recht hatten. Bis dahin schreibt dieser
Caperville Nachrufe.»
    «Aber das
ist ja noch Jahre hin!»
    «Haben Sie
andere Pläne? Ist es das? Machen Sie sich Sorgen wegen Ihres Lebenslaufs?»
    «Nein,
Vin, ich bin nur wegen

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