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Franzen, Jonathan

Franzen, Jonathan

Titel: Franzen, Jonathan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Freihheit
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es
stark. Voller Liebe und Freude sah sie ihm in die Augen, erklärte die
Männlichkeit, die Patty in ihrem Text verleumdet und bespuckt hatte, für
schön, perfekt und wunderbar. Was gab es daran auch nicht zu mögen? Er war ein
Mann in den besten Jahren, sie war hinreißend und jung und unersättlich; und
ebendas war nicht zu mögen. Seine Gefühle hielten mit der Energie und
Dringlichkeit ihrer gegenseitigen animalischen Anziehung, der Unbegrenzbarkeit
ihres Kopulierens nicht Schritt. Sie musste ihn reiten, sie musste unter ihm
erdrückt werden, sie musste die Beine auf seinen Schultern haben, sie musste
den Herabschauenden Hund machen und sich von hinten rammen lassen, sie musste
sich über das Bett beugen, sie musste das Gesicht gegen die Wand pressen, sie
musste die Beine um ihn schlingen und den Kopf zurückwerfen und ihre sehr
runden Brüste in alle Richtungen fliegen spüren. Das alles schien für sie
ungeheuer bedeutungsvoll zu sein, sie war ein bodenloser Brunnen gequälten
Lärmens, und für all das war er zu haben. War Herz-Kreislauf-mäßig in guter
Verfassung, begeistert von ihrer Extravaganz, eingestimmt auf ihre Wünsche und
ihr äußerst zugetan. Und dennoch fehlte das ganz Persönliche, und er fand den
Weg zum Orgasmus nicht. Und das war sehr eigenartig, ein völlig neues und
unvorhergesehenes Problem, das vielleicht teils an seiner Unvertrautheit mit
Kondomen, teils an ihrem unglaublichen Feuchtsein lag. Wie oft hatte er es
sich während der zwei Jahre zuvor beim Gedanken an seine Assistentin selbst
besorgt, jedes Mal binnen Minuten? Hundertmal. Sein jetziges Problem war
offensichtlich ein psychisches. Als sie schließlich Ruhe fanden, zeigte ihr
Wecker 15152. Es war nicht ganz klar, ob
immerhin sie gekommen war, und er wagte sie nicht zu fragen. Und hier, in
seiner Erschöpfung, ergriff der lauernde Gegensatz die
Gelegenheit, sich aufzudrängen, denn Patty hatte jedes Mal, wenn er ihr
Interesse daran hatte wecken können, die Sache halbwegs verlässlich für sie
beide erledigt und sie beide einigermaßen zufriedengestellt, sodass er sich
befreit seiner Arbeit zuwenden oder ein Buch lesen konnte und sie in der Lage
war, die kleinen Patty-Dinge zu machen, an denen ihr so viel lag. Schon ihr
Schwierigsein schuf Reibung, und Reibung führte zu Befriedigung...
    Lalitha
küsste ihn auf seinen geschwollenen Mund. «Was denkst du?»
    «Ich weiß
nicht», sagte er. «Vieles.»
    «Bereust
du, dass wir das gemacht haben?»
    «Nein,
nein, ich bin sehr froh darüber.»
    «Sehr froh
siehst du aber nicht aus.»
    «Naja, ich
habe vorhin meine Frau nach vierundzwanzig Jahren Ehe vor die Tür gesetzt. Das
ist gerade mal zwei Stunden her.»
    «Entschuldige,
Walter. Du kannst immer noch zurück. Ich kann kündigen und euch beide in
Frieden lassen.»
    «Nein, das
zumindest kann ich dir versprechen. Ich gehe nie zurück.»
    «Möchtest
du mit mir zusammen sein?»
    «Ja.» Er
füllte sich die Hände mit ihren schwarzen Haaren, die nach Kokosshampoo rochen,
und bedeckte sein Gesicht damit. Jetzt hatte er, was er gewollt hatte, aber es
machte ihn irgendwie einsam. Nach seinem großen Sehnen, dessen Ausmaß unendlich
war, lag er nun im Bett mit einer besonderen, endlichen Frau, die zwar sehr
schön, brillant und engagiert, aber eben auch unordentlich und alles andere als
eine Köchin war und von Jessica nicht gemocht wurde. Und es gab nur sie, das
einzige Bollwerk zwischen ihm und der Vielzahl an Gedanken, die er nicht denken
wollte. Dem Gedanken an Patty und seinen Freund am Namenlosen See; an die sehr
menschliche und geistreiche Art und Weise, wie die beiden miteinander geredet
hatten; an ihre reife Gegenseitigkeit beim Sex; an ihre Freude darüber, dass
er, Walter, nicht da war. Er begann, in Lalithas Haare zu weinen, und sie
tröstete ihn, wischte seine Tränen weg, und dann liebten sie sich wieder,
müder, geschmerzter, bis er dann doch noch kam, ohne großes Tamtam, in ihrer
Hand.
    Es folgten
einige schwierige Tage. Eduardo Soquel wurde bei seiner Ankunft aus Kolumbien
am Flughafen abgeholt und in «Joeys» Zimmer einquartiert. Zur Pressekonferenz
am Montagvormittag kamen zwölf Journalisten, Walter und Soquel überstanden
sie, und Dan Caperville von der Times wurde ein
eigenes, längeres Telefoninterview gewährt. Walter, der sein Leben lang in der
Öffentlichkeitsarbeit tätig gewesen war, konnte seinen privaten Aufruhr
unterdrücken, bei der Sache bleiben und journalistische Reizköder ablehnen.

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