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Franzen, Jonathan

Franzen, Jonathan

Titel: Franzen, Jonathan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Freihheit
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Warum sagst du das nicht einfach ab?»
    «Wegen
dieses anderen großen Vorhabens mit der Überbevölkerung, an dem Lalitha dran
ist, das darf ich mir mit meinem Chef nicht verscherzen. Schließlich ist das
Geld, das wir ausgeben, von ihm.»
    «Dann ist
es wohl besser, du fährst hin», sagte Joey.
    Er klang
nicht überzeugt, und Walter war es unangenehm, so schwach und klein vor ihm
dazustehen. Als wollte er noch schwächer und kleiner dastehen, fragte er, ob
Joey wisse, was mit Jessica sei.
    «Ich hab
mit ihr gesprochen», sagte Joey, Hände in den Taschen, Blick auf dem Boden.
«Ich schätze mal, sie ist ein bisschen sauer auf dich.»
    «Ich habe
ihr ungefähr zwanzigmal auf die Mailbox gesprochen!»
    «Das
kannst du wahrscheinlich bleibenlassen. Ich glaube, sie hört sie gar nicht ab.
Die Leute hören sowieso nicht jede Nachricht ab, sie sehen einfach nur nach,
wer angerufen hat.»
    «Und? Hast
du ihr gesagt, dass diese Geschichte zwei Seiten hat?»
    Joey
zuckte die Achseln. «Keine Ahnung. Hat sie denn zwei?»
    «Ja,
natürlich! Deine Mutter hat mir etwas sehr Schlimmes angetan. Etwas
unglaublich Schmerzhaftes.»
    «Ich
möchte eigentlich keine weiteren Informationen», sagte Joey. «Ich glaube, sie
hat mir sowieso schon davon erzählt. Ich habe keine Lust, Partei zu ergreifen.»
    «Sie hat
dir wann davon erzählt? Wie lange ist das
her?»
    «Letzte
Woche.»
    Also
wusste Joey, was Richard getan hatte - was Walter seinen besten Freund, seinen
Rockstar-Freund, hatte tun lassen. Sein Immer-kleiner-Werden in den Augen
seines Sohnes war nun perfekt. «Ich trinke jetzt mal ein Bier», sagte er.
«Schließlich ist heute mein Geburtstag.»
    «Können
Connie und ich auch eins haben?»
    «Ja,
deshalb haben wir euch schon früh hergebeten. Aber Connie kann doch auch im
Restaurant alles trinken, was sie will. Sie ist einundzwanzig, oder?»
    «Klar.»
    «Und das
jetzt nicht, um dich zu bedrängen, sondern ich frage nur rein interessehalber:
Hast du Mom gesagt, dass du verheiratet bist?»
    «Dad, ich
arbeite daran», sagte Joey, und seine Kinnpartie straffte sich. «Lass mich das
einfach auf meine Weise regeln, ja?»
    Walter
hatte Connie immer gemocht (hatte insgeheim sogar Connies Mutter gemocht, weil sie so mit ihm geflirtet hatte). Zur Feier des
Abends trug sie gefährlich hohe Absätze und dicken Lidschatten; sie war noch
jung genug, um viel älter aussehen zu wollen. Im La Chaumiere beobachtete er
mit schwellendem Herzen, mit welch zärtlicher Aufmerksamkeit Joey sie bedachte,
wie er sich zu ihr hinbeugte, um die Speisekarte mit ihr zu lesen und beider
Auswahl aufeinander abzustimmen, und wie Connie, da Joey noch nicht volljährig
war, Walters Angebot eines Cocktails ablehnte und sich stattdessen eine Cola
Light bestellte. Sie hatten eine stillschweigend vertrauensvolle Art,
miteinander umzugehen, eine Art, die Walter an sich und Patty erinnerte, als
sie noch sehr jung gewesen waren, die Art eines zu einer Front gegen die Welt
vereinten Paars; beim Anblick ihrer Eheringe verschleierten sich seine Augen.
Lalitha, die in ihrer Beklommenheit versuchte, auf Abstand von dem jungen Paar
zu gehen und sich mit einem Mann zu verbünden, der fast doppelt so alt war wie
sie, bestellte sich einen Martini und füllte sodann das Gesprächsvakuum mit
Berichten über FreiRaum und die Weltbevölkerungskrise, denen Joey und Connie
mit der gepflegten Höflichkeit eines Paars lauschten, das in seiner
Zwei-Personen-Welt geborgen ist. Obwohl Lalitha es vermied, besitzergreifende
Bezüge zu Walter herzustellen, bezweifelte er nicht, dass Joey wusste, dass sie
mehr als nur seine Assistentin war. Als er sein drittes Bier des Abends trank,
schämte er sich immer mehr der Dinge, die er getan hatte, und wurde Joey immer
dankbarer dafür, dass er das alles so gelassen nahm. Nichts hatte ihn über die
Jahre an Joey mehr erzürnt als dessen coole Hülle, und jetzt - wie froh er über
sie war! Diese Schlacht hatte sein Sohn gewonnen, und er war froh darüber.
    «Dann
arbeitet Richard also noch für euch?», sagte Joey.
    «Äh, ja»,
sagte Lalitha. «Ja, er hilft uns sehr. Erst kürzlich hat er mir erzählt, die
White Stripes könnten uns im Hinblick auf unser
Großevent im August helfen.»
    Joey
achtete darauf, Walter nicht anzusehen, als er das stirnrunzelnd durchdachte.
    «Da
sollten wir hin», sagte Connie zu Joey. «Ist es in Ordnung, wenn wir kommen?»,
fragte sie Walter.
    «Aber
natürlich ist das in Ordnung», sagte er und zwang sich zu lächeln.

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