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Franzen, Jonathan

Franzen, Jonathan

Titel: Franzen, Jonathan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Freihheit
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Patty auf, nicht so offensichtlich zuzuhören, aber auch wenn Patty
sich wegdrehte und so tat, als läse sie in einer Zeitschrift, genügte das
nicht. Eliza schwor, sie könne ihren Song
perfekt spielen, sobald Patty nicht mehr im Zimmer sei. «Aber jetzt? Vergiss
es.»
    «Tut mir
leid», sagte Patty. «Tut mir leid, dass ich so eine Wirkung auf dich habe.»
    «Ich kann
den Song ganz toll spielen, wenn du nicht zuhörst.»
    «Ich weiß,
das weiß ich doch. Bestimmt.»
    «Das ist
eine Tatsache. Es ist egal, ob du's
mir glaubst.»
    «Aber ich
glaube es dir ja!»
    «Ich sage doch
gerade», erwiderte Eliza, «dass es egal ist, ob du
es mir glaubst, weil meine Fähigkeit, diesen Song ganz toll zu spielen, sobald
du nicht zuhörst, eine objektive Tatsache ist.»
    «Willst du
es nicht vielleicht mal mit einem anderen Song versuchen?», schlug Patty vor.
    Aber Eliza riss bereits die Stöpsel aus der Gitarre. «Hör auf. Okay? Ich brauche
deinen Zuspruch nicht.»
    «Tut mir
leid», sagte Patty, «tut mir leid.»
    Zum ersten
Mal hatte sie Eliza in der
einzigen Lehrveranstaltung gesehen, in der eine Sportlerin und eine Lyrikerin
sich wohl überhaupt begegnen konnten: Einführung in die Erdwissenschaft. Patty
erschien in diesem besonders vollen Kurs stets zusammen mit zehn anderen
Erstsemester-Sportlerinnen, einer Herde Mädchen, zumeist noch größer als sie,
die alle kastanienbraune Trainingsanzüge der Minnesota Golden Gophers oder schlichte graue Jogginghosen trugen und mehr oder weniger feuchte
Haare hatten. Es gab in der Herde auch ein paar intelligente Mädchen, zum
Beispiel Cathy Schmidt,
mit der die Autobiographin eine lebenslange Freundschaft verbindet und die
später Strafverteidigerin wurde - an zwei Abenden trat sie mal in der
landesweit ausgestrahlten Quizshow Jeopardy! auf -,
aber der überheizte Vorlesungssaal und die besagten Trainingsanzüge und die
feuchten Haare und die Nähe anderer müder Sportlerinnenkörper erzeugten bei
Patty unweigerlich eine Kontakttaubheit. Ein Kontakttief.
    Eliza saß gern in der Reihe hinter den Sportlerinnen, direkt hinter Patty,
aber so weit vorgebeugt, dass man nur ihre verschwenderischen dunklen Locken
sehen konnte. Die ersten Worte, die sie an Patty richtete, drangen zu Beginn
einer Unterrichtsstunde von hinten an ihr Ohr. «Du bist die Beste», sagte sie.
    Patty
drehte sich um, weil sie wissen wollte, wer da sprach, und sah sehr viel Haar.
«Wie bitte?»
    «Ich hab
dich gestern Abend spielen sehen», sagte das Haar. «Du bist brillant und
schön.»
    «Oh -
vielen Dank.»
    «Die
müssen dir langsam mal mehr Spielzeit geben.»
    «Komischerweise
bin ich genau derselben Meinung, haha.»
    «Du musst
eben fordern, dass sie dir mehr Spielzeit geben.
Okay?»
    «Klar,
aber wir haben ziemlich viele gute Spielerinnen in der Mannschaft. Es ist nicht
an mir, das zu entscheiden.»
    «Mag sein,
aber du bist die Beste», sagte das Haar.
    «Oh - also
vielen Dank für das Kompliment!», antwortete Patty freundlich, um die Sache
abzuschließen. Damals glaubte sie, es liege an ihrem selbstlosen
Mannschaftsgeist, dass an sie persönlich gerichtete Komplimente sie so
verlegen machten. Heute glaubt die Autobiographin, Komplimente waren wie ein
Getränk, von dem sie sich instinktiv keinen einzigen Tropfen gönnte, weil es
sie grenzenlos danach gedürstet hat.
    Als die
Vorlesung zu Ende war, umgab sie sich mit ihren Sportkameradinnen und blickte
sich bewusst nicht nach dem Mädchen mit dem Haar um. Vermutlich, so sagte sie
sich, war es nicht mehr als eine merkwürdige Koinzidenz, dass ein richtiger Fan
von ihr in Erdwissenschaften unmittelbar hinter ihr gesessen hatte. An der
Universität gab es fünfzigtausend Studenten, von denen wahrscheinlich weniger
als fünfhundert (ehemalige Spielerinnen und Freunde oder Familienangehörige von
gegenwärtigen Spielerinnen ausgenommen) Frauensportveranstaltungen als
mögliches Freizeitvergnügen in Betracht zogen. War man Eliza und wollte direkt hinter der Bank der Gophers sitzen (sodass Patty, wann immer sie vom Platz musste, nicht
umhinkonnte, einen mit seinem Haar zu sehen, da man sich ja über sein Notizbuch
beugte), brauchte man nur fünfzehn Minuten vor Spielbeginn zu erscheinen. Nach
dem Schlusspfiff und dem Abklatschritual war es dann das Einfachste von der
Welt, Patty kurz vor der Umkleide abzufangen, ihr einen Zettel aus dem
Notizbuch zu reichen und zu sagen: «Hast du mehr Spielzeit verlangt, so wie
ich es dir gesagt habe?»
    Patty
wusste immer noch

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