Franzen, Jonathan
zum Ausgleich dafür, dass sie nicht umgänglicher
gewesen war.
Eliza blickte an sich herunter. Sie hatte ein breites, schaufelförmiges
Becken, und ihre winzigen, in Keds steckenden Füße schienen ein wenig nach
innen zu zeigen. «Sehe ich so aus?»
«Weiß
nicht. Badminton?»
«Ich hasse
Schulsport», sagte Eliza lachend.
«Ich hasse jeden Sport.»
Vor
Erleichterung, dass es ihr gelungen war, das Thema zu wechseln, lachte Patty
mit, obwohl sie jetzt einigermaßen verwirrt war.
«Es war
noch nicht mal so, dass ich hätte oder ein Mädchen gelaufen> wäre», sagte Eliza. «Ich habe
mich geweigert, überhaupt zu laufen oder zu werfen, Punkt. Wenn ein Ball in
meinen Händen landete, habe ich abgewartet, bis jemand gekommen ist und ihn mir
weggenommen hat. Wenn ich loslaufen sollte, zum Beispiel zur ersten Base, bin
ich erst mal einen Moment stehengeblieben und dann vielleicht hingegangen.»
«0 Gott»,
sagte Patty.
«Ja, ich
hätte deshalb auch fast den Abschluss nicht geschafft», sagte Eliza. «Das Highschooldiplom habe ich nur bekommen, weil meine Eltern die
Schulpsychologin kannten. Am Ende haben sie mir angerechnet, dass ich jeden Tag
mit dem Rad zur Schule gefahren bin.»
Patty nickte
verunsichert. «Aber Basketball magst du doch, oder?»
«Ja,
genau», sagte Eliza. «Basketball
ist ziemlich faszinierend.»
«Na, dann
stimmt es ja gar nicht, dass du jeden Sport hasst. Ich glaube, du hasst
eigentlich nur Schulsport.»
«Ganz
genau. Ja, du hast völlig recht.»
«Gut, also
dann.»
«Ja, also
dann - werden wir jetzt Freundinnen?»
Patty
lachte. «Wenn ich ja sage, bestätige ich doch nur deine Behauptung, dass ich
unvorsichtig gegenüber Leuten bin, die ich kaum kenne.»
«Das
klingt eher wie nein.»
«Wollen
wir nicht einfach abwarten und es auf uns zukommen lassen?»
«In
Ordnung. Das ist sehr vorsichtig von dir - gut so.»
«Siehst
du? Siehst du?» Patty lachte schon wieder. «Ich bin vorsichtiger, als du
denkst!»
Die
Autobiographin zweifelt nicht daran, dass Patty, hätte sie sich bewusster mit
sich selbst auseinandergesetzt und der Welt um sich herum ein nur halbwegs
vernünftiges Maß an Aufmerksamkeit geschenkt, im College-Basketball nicht
annähernd so gut gewesen wäre. Erfolg im Sport ist Sache derer, die nahezu hohl
im Kopf sind. Einen Blickwinkel zu erlangen, der ihr zu sehen erlaubt hätte,
wie Eliza wirklich war (nämlich gestört),
wäre schlecht für ihre spielerische Leistung gewesen. Man wird keine
Freiwurfschützin mit einer Trefferquote von 88 Prozent,
wenn man über jedes kleine Detail nachgrübelt.
Wie sich
zeigte, mochte Eliza keine von Pattys anderen Freundinnen und versuchte auch gar nicht erst, sie näher
kennenzulernen. Sie bezeichnete sie kollektiv als «deine Lesben» oder «die
Lesben», obwohl die Hälfte von ihnen heterosexuell war. Sehr bald kam es Patty
so vor, als lebte sie in zwei sich gegenseitig ausschließenden Welten. Da war
die Welt ihres totalen Sportlerdaseins, in der sie
den Löwenanteil ihrer Zeit verbrachte und eher eine Psychologie-Zwischenprüfung
verhauen hätte, als nicht noch schnell in einen Laden zu rennen, um ein
Notfallpaket zusammenzustellen und es einer Mannschaftskameradin zu bringen,
die sich den Knöchel verstaucht hatte oder mit Grippe im Bett lag, und dann
war da die dunkle kleine Eliza-Welt, in der sie sich nicht anzustrengen
brauchte, besonders gut zu sein. Der einzige Berührungspunkt zwischen den
beiden Welten war die Williams Arena, wo Patty, wenn sie durch die
zurücklaufende Verteidigung flog und mit einem einfachen Korbleger abschloss
oder einen Pass blind
spielte, eine zusätzliche Aufwallung von Stolz und Freude verspürte, sofern Eliza unter den Zuschauern saß. Doch selbst dieser Berührungspunkt blieb
nicht lange bestehen, denn je mehr Zeit Eliza mit Patty
verbrachte, umso weniger schien sie sich daran zu erinnern, wie sehr sie sich
für Basketball interessierte.
Patty
hatte immer nur Freunde gehabt, Plural, nichts Festeres. Ihr wurde froh ums
Herz, wenn sie Eliza nach dem
Training draußen vor der Sporthalle warten sah, denn dann wusste sie, dass ihr
ein anregender Abend bevorstand. Eliza nahm sie
in Filme mit Untertiteln mit und spielte ihr Patti-Smith-Platten vor, denen
Patty ganz konzentriert zuhören sollte («Ich finde es wunderbar, dass du
denselben Vornamen hast wie meine Lieblingssängerin», sagte sie, wobei sie die
unterschiedliche Schreibweise ebenso außer Acht ließ wie die
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