Franzen, Jonathan
sie über den Schiffbruch ihrer Ehe lachte, wurde ihr
klar, dass es Veronica guttat,
von ihren Problemen zu erfahren. Es schien für sie eine Art Familienwahrheit zu
bestätigen und sie zu beruhigen. Aber dann, beim grünen Tee, von dem Veronica mindestens vier Liter am Tag zu trinken behauptete, kam Patty auf das
Landgut zu sprechen, und das Gelächter ihrer Schwester wurde
diffuser und ausweichender.
«Im
Ernst», sagte Patty. «Warum liegst du Joyce andauernd mit Geld in den Ohren?
Ich glaube, wenn nur Abigail das täte, würde sie schon damit fertigwerden, aber
seit auch du noch damit angefangen hast, fühlt sie sich überhaupt nicht mehr
wohl in ihrer Haut.»
«Ich
glaube nicht, dass Mommy meine
Hilfe braucht, um sich in ihrer Haut nicht wohl zu fühlen», sagte Veronica amüsiert. «Das kriegt sie ganz gut alleine hin.»
«Na schön,
dann sorgst du eben dafür, dass sie sich noch schlechter
fühlt.»
«Das
glaube ich nicht. Jeder schafft sich seinen Himmel und seine Hölle selbst. Wenn
sie sich besser fühlen möchte, kann sie das Gut ja verkaufen. Alles, was ich
will, ist genügend Geld, um nicht mehr arbeiten zu müssen.»
«Was ist
denn so schlimm am Arbeiten?», fragte Patty und hörte darin das Echo einer
ähnlichen Frage, die Walter ihr einmal gestellt hatte. «Arbeiten ist gut für
das Selbstwertgefühl.»
«Ich kann
arbeiten», sagte Veronica. «Im
Augenblick tue ich das ja auch. Aber lieber würde ich nicht arbeiten. Es ist
langweilig, und ich werde wie eine Sekretärin behandelt.»
«Du bist eine
Sekretärin. Wahrscheinlich die Sekretärin mit dem höchsten IQ in ganz New
York.»
«Ich freue
mich einfach darauf zu kündigen, das ist alles.»
«Ich bin
sicher, dass Joyce dir Geld geben würde, damit du nochmal umschulen und eine
Arbeit finden könntest, die deinen Talenten besser entspricht.»
Veronica lachte. «Die Talente, die ich habe, sind in dieser Welt offenbar nicht
gefragt. Deshalb ist es besser, wenn ich sie für mich selbst nutzen kann. Ich
möchte wirklich einfach nur in Ruhe gelassen werden, Patty. Mehr verlange ich
inzwischen gar nicht mehr. Nur, dass man mich in Ruhe lässt. Abigail ist
diejenige, die nicht will, dass Onkel Jim und Onkel Dudley irgendetwas abkriegen. Mir ist das im Grunde egal, solange ich meine
Miete bezahlen kann.»
«Das
stellt Joyce aber anders dar. Sie sagt, du willst auch nicht, dass sie etwas
abkriegen.»
«Ich
versuche nur, Abigail zu helfen. Sie möchte eine eigene Komödiantinnentruppe
gründen und damit nach Europa gehen, wo die Menschen so etwas zu schätzen
wissen. Sie möchte in Rom leben und verehrt werden.»
Erneut dieses Lachen. «Und ich hätte, offen gesagt, nichts dagegen. Ich brauche
sie nicht so oft zu sehen. Sie ist nett zu mir, aber du weißt ja, wie sie
redet. Letztlich denke ich nach einem Abend mit ihr immer, dass es besser
gewesen wäre, ihn allein verbracht zu haben. Ich bin gern allein. Ich möchte
lieber meinen Gedanken nachhängen, ohne dabei gestört zu werden.»
«Das
heißt, du drangsalierst Joyce, damit du dich nicht so oft mit Abigail treffen
musst? Warum triffst du dich nicht einfach nicht so oft mit Abigail?»
«Weil man
mir gesagt hat, dass es nicht gut ist, sich nie mit jemandem zu treffen. Sie
ist so was wie im Hintergrund laufendes Fernsehen. Sie leistet mir
Gesellschaft.»
«Aber du
hast doch eben noch gesagt, dass du es gar nicht schön findest, dich mit ihr zu
treffen!»
«Ich weiß.
Ist schwer zu erklären. Ich habe eine Freundin in Brooklyn, mit der ich mich
wohl häufiger verabreden würde, wenn Abigail nicht mehr da wäre. Ich glaube,
das wäre auch akzeptabel. Also, wenn ich darüber nachdenke, bin ich mir sogar
ziemlich sicher, dass es akzeptabel wäre.» Und bei dem Gedanken an diese
Freundin lachte Veronica.
«Aber
warum sollte es Edgar nicht genauso gehen wie dir?», sagte Patty. «Aus welchem
Grund sollten er und Galina nicht auf der Farm wohnen bleiben dürfen?»
«Wahrscheinlich
gibt es keinen. Du hast wahrscheinlich recht. Galina ist ohne Zweifel
grässlich, und ich glaube, das weiß Edgar auch; ich glaube, deshalb hat er sie
überhaupt nur geheiratet - um sie uns zuzumuten. Sie ist seine Rache dafür,
dass er der einzige Sohn in der Familie ist. Mir persönlich ist es ja egal,
solange ich ihr nicht begegnen muss, aber
Abigail kommt nicht darüber hinweg.»
«Du machst
das also eigentlich alles für Abigail.»
«Sie hat
Wünsche. Ich selber habe keine, aber ich helfe ihr gern dabei, dass sie
Weitere Kostenlose Bücher