Franzen, Jonathan
eintreffende
Buzzcocks-Fans, gespannt, ob Eliza wohl kommen und nach ihr sehen würde. Aber
es war Walter, nicht Eliza, der kam und nach ihr sah.
«Alles in
Ordnung», sagte sie zu ihm. «Ich habe bloß gemerkt, dass das nicht mein Fall
ist.»
«Darf ich
dich nach Hause bringen?»
«Nein, geh
du doch wieder rein. Vielleicht könntest du Eliza sagen, dass ich allein nach
Hause fahre, damit sie sich keine Sorgen macht.»
«Sonderlich
besorgt wirkt sie nicht. Ich bringe dich gern nach Hause.»
Patty
sagte nein, Walter beharrte, sie beharrte auf ihrem Nein, er auf seinem Doch.
Dann wurde ihr klar, dass er gar kein Auto hatte und mit ihr zusammen den Bus
nehmen wollte, woraufhin sie noch einmal auf ihrem Nein beharrte und er auf
seinem Doch. Viel später sagte er ihr, er habe sich bereits in sie verliebt,
als sie noch an der Bushaltestelle gestanden hätten, aber in Pattys Kopf ließ sich keine vergleichbare Symphonie vernehmen. Sie hatte ein
schlechtes Gewissen, weil sie gegangen war, ohne Eliza Bescheid zu sagen, und
sie bedauerte, dass ihr die Ohrstöpsel entglitten waren und sie nicht länger
hatte bleiben können, um mehr von Richard zu sehen.
«Irgendwie
komme ich mir vor, als wäre ich bei einer Prüfung durchgefallen», sagte sie.
«Magst du
diese Art von Musik überhaupt?»
«Ich mag
Blondie. Und Patti Smith. Also nein, eigentlich mag ich solche Musik wohl
nicht.»
«Darf ich
fragen, warum du dann gekommen bist?»
«Na ja,
Richard hat mich eingeladen.»
Walter
nickte, als ergäbe das für ihn einen geheimen Sinn.
«Ist
Richard nett?», fragte Patty.
«Und
wie!», sagte Walter. «Das heißt, wie mans nimmt.
Seine Mutter ist abgehauen, als er ein kleiner Junge war, und zur religiösen
Fanatikerin geworden. Sein Vater war bei der Post angestellt und ein Säufer und
hat irgendwann Lungenkrebs bekommen, da ging Richard noch zur Schule. Richard
hat ihn bis zu seinem Tod gepflegt.
Er ist
sehr loyal, nur Frauen gegenüber vielleicht nicht ganz so sehr. Frauen
behandelt er eher nicht so gut, falls es das ist, was du wissen willst.»
Patty
hatte schon so etwas geahnt, und aus irgendeinem Grund schreckte es sie nicht
ab. «Und du?», sagte Walter. «Was soll mit mir sein?»
«Bist du
nett? Du wirkst so. Andererseits ...»
«Andererseits
was?»
«Deine
Freundin kann ich ja nun mal überhaupt nicht leiden!», brach es aus ihm hervor.
«Ich glaube, sie ist gar kein guter Mensch. Ehrlich gesagt, finde ich sie sogar
ziemlich grässlich. Sie ist verlogen und gemein.»
«Sie ist
meine beste Freundin», sagte Patty eingeschnappt. «Zu mir ist sie nicht
grässlich. Vielleicht habt ihr euch bisher einfach immer auf dem falschen Fuß
erwischt.»
«Macht sie
das oft so, dass sie dich irgendwohin mitnimmt und dann stehenlässt, um mit
jemand anderem zu koksen?»
«Nein, das
ist allerdings noch nie passiert.»
Walter
schwieg, stand nur da und schmorte in seiner Antipathie. Kein Bus war in Sicht.
«Manchmal
tut es mir einfach sehr sehr gut, wie gern sie mich hat», sagte Patty nach
einer Weile. «Oft merkt man das bei ihr nämlich gar nicht. Aber wenn sie ...»
«Ich kann
mir nicht vorstellen, dass es nicht eine Menge Leute gibt, die dich gern
haben», sagte Walter.
Sie
schüttelte den Kopf. «Irgendwas stimmt mit mir nicht. Ich mag auch meine
anderen Freunde sehr, aber es fühlt sich immer so an, als wäre eine Wand
zwischen uns. Als wären sie allesamt eine Sorte Mensch und ich eine andere.
Mein Konkurrenzdrang ist größer, ich bin egoistischer. Weniger ,
wenn du so willst. Am Ende ist mir immer, als würde ich mich verstellen, wenn
ich mit ihnen zusammen bin. Bei Eliza muss ich mich
nicht verstellen. Da kann ich einfach ich selbst sein und bin trotzdem noch besser als sie.
Also, ich bin ja nicht dumm. Ich habe schon mitbekommen, dass sie einen Schaden
hat. Aber in gewisser Hinsicht habe ich sie wirklich gern um mich. Geht es dir
mit Richard nicht manchmal auch so?»
«Nein»,
sagte Walter. «Meistens ist es eigentlich eher unangenehm, Richard um sich zu
haben. Aber irgendetwas an ihm habe ich auf den ersten Blick gemocht, als wir
uns am Anfang des Studiums kennenlernten. Er lebt für seine Musik, aber er ist
auch geistig sehr aufgeschlossen. Das finde ich bewundernswert.»
«Du bist
eben offenbar ein durch und durch netter Mensch», sagte Patty. «Du magst ihn um
seinetwillen und nicht, weil er irgendetwas in dir auslöst. Das ist wohl der
Unterschied zwischen dir und mir.»
«Aber du
scheinst doch
Weitere Kostenlose Bücher