Franzen, Jonathan
transportiert und durch matschige Straßen geschleppt hatte und an der
Garderobe fast nicht losgeworden war. Für alle, selbst für Patty, stand außer
Frage, dass es keine Respektlosigkeit von ihm war, den anderen interessante
Bücher, ihr aber eine Pflanze zu schenken, im Gegenteil. Die Tatsache, dass
Walter seine Begeisterung nicht in irgendeine schlankere Version seiner netten,
ihm ergebenen Freundinnen investierte, sondern in Patty, die ihre Intelligenz
und Kreativität in erster Linie darauf verwendete, sich immer neue, beiläufig
wirkende Aufhänger für kurze Gespräche über Richard Katz einfallen zu lassen,
war unerklärlich und alarmierend, aber durchaus schmeichelhaft. Nach der
Vorstellung jedenfalls trug Walter ihr den Weihnachtsstern, im Bus und durch
noch mehr Matsch, ganz bis zu ihrem Wohnheim. Auf der beigefügten Karte, die
sie erst in ihrem Zimmer öffnete, stand: Für Patty, in großer Zuneigung,
von ihrem Fan und Bewunderer.
Ungefähr
um diese Zeit machte Richard mit Eliza Schluss. Er schien eher der rabiate
Schlussmacher zu sein. Eliza war außer sich, als sie Patty anrief und ihr
vorjammerte, «die Schwuchtel» habe Richard gegen sie aufgebracht, Richard gebe
ihr überhaupt keine Chance, und Patty
müsse ihr helfen und ein Treffen mit ihm arrangieren, er weigere sich, mit ihr
zu sprechen oder sie in die Wohnung zu lassen oder -
«Ich habe
Prüfungen», sagte Patty kühl.
«Du kannst
da doch hingehen, und ich komme einfach mit», sagte Eliza. «Ich will ihn nur
sehen und es ihm erklären.»
«Was
erklären?»
«Dass er
mir eine Chance geben muss! Dass ich
es verdiene, angehört zu werden!»
«Walter
ist nicht schwul», sagte Patty. «Das ist bloß ein Hirngespinst von dir.»
«0 mein Gott,
dich hat er also auch schon gegen mich aufgebracht!»
«Nein»,
sagte Patty. «Das stimmt so nicht.»
«Ich komme
jetzt zu dir, und dann hecken wir was aus.»
«Ich habe
morgen Vormittag Prüfung in Geschichte. Ich muss lernen.»
Jetzt
erfuhr Patty, dass Eliza seit sechs Wochen nicht mehr zu den
Lehrveranstaltungen ging, weil sie innerlich so mit Richard beschäftigt war.
Das sei seine Schuld, sie habe alles für ihn
aufgegeben, und nun lasse er sie im Regen stehen, und ihre Eltern dürften keinesfalls
herausfinden, dass sie in allen Fächern durchfallen werde, sie komme jetzt
gleich zu Patty rüber, Patty solle sich nicht von der Stelle rühren und auf sie
warten, damit sie etwas aushecken könnten.
«Ich bin
todmüde», sagte Patty. «Ich muss lernen,
und dann gehe ich ins Bett.»
«Ich fasse
es nicht! Er hat euch beide gegen mich aufgebracht! Die beiden Menschen, die
mir auf der ganzen Welt am liebsten sind!»
Patty
schaffte es, das Telefonat zu beenden, eilte zur Bibliothek und blieb dort, bis
sie schloss. Sie war überzeugt, dass Eliza Zigaretten rauchend vor ihrem
Wohnheim auf sie wartete, um sie dann die halbe Nacht wach zu halten. Ihr
graute davor, diesen Freundschaftsobolus entrichten zu müssen, aber sie hatte
sich schon damit abgefunden und war deshalb sonderbar enttäuscht, als sie zurückkam
und keine Eliza zu sehen war. Um ein Haar hätte sie sie angerufen, doch ihre
Erleichterung und Müdigkeit überwogen alle Schuldgefühle.
Drei Tage
vergingen, ohne dass sie etwas von Eliza hörte. Am Abend bevor Patty in die
Weihnachtsferien aufbrach, rief sie schließlich bei ihr an, um sich zu
vergewissern, dass alles in Ordnung war, aber das Telefon klingelte und
klingelte. Sie flog nach Westchester, und die
Wolke aus Schuldgefühlen und Sorge, die sie umgab, wurde mit jedem
fehlgeschlagenen Versuch, vom Telefon der elterlichen Küche aus Kontakt mit
ihrer Freundin herzustellen, dichter. An Heiligabend ging sie sogar so weit,
die Nummer des Whispering-Pines-Motels in Hibbing, Minnesota, zu wählen.
«Das ist
ja ein schönes Weihnachtsgeschenk!», sagte Walter. «Dass du anrufst.»
«Oh, ach
so, danke. Ich rufe eigentlich wegen Eliza an. Sie ist irgendwie verschwunden.»
«Sei doch
froh», sagte Walter. «Richard und ich mussten unser Telefon ausstöpseln.»
«Wann war
das?»
«Vor zwei
Tagen.»
«Oh, ach
so, das beruhigt mich.»
Patty
unterhielt sich noch eine Weile mit Walter, indem sie seine vielen Fragen
beantwortete, beschrieb die irrwitzige weihnachtliche Habgier ihrer Geschwister
und die demütigende Familientradition, Patty alle Jahre wieder daran zu
erinnern, wie lustig es doch war, dass sie so lange an den Weihnachtsmann
geglaubt hatte, berichtete über den bizarren, von
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