Franzen, Jonathan
das»,
sagte sie. «Das habe ich ihm mehr oder weniger selbst gesagt. Das zählt nicht
richtig.»
«Na schön.
Dann verrätst du's eben mir. Was hat er denn sonst noch alles nicht
mitbekommen, abgesehen davon, dass du eine Reifenstecherin bist?»
Als Patty
über diese Frage nachdachte, sah sie nichts vor sich als die große Leere ihres
Lebens, die Leere des Nests, das sie gebaut hatte, die Sinnlosigkeit ihres
Daseins, jetzt, da die Kinder flügge geworden waren. Der Sherry hatte sie
traurig gemacht. «Du könntest etwas für mich singen, während ich das Essen auf
den Tisch bringe. Würdest du das für mich tun?»
«Ich weiß
nicht», sagte Richard. «Fühlt sich ein bisschen komisch an.»
«Warum?»
«Keine
Ahnung. Fühlt sich einfach komisch an.»
«Du bist
doch Sänger. Das ist dein Beruf. Du singst.»
«Ich hatte
nie den Eindruck, dass dir das, was ich singe, sonderlich gut gefällt.»
«Sing
.
Den Song liebe ich.»
Er seufzte
und senkte den Kopf, verschränkte die Arme vor der Brust und schien
einzuschlafen.
«Was?»,
sagte sie.
«Ich denke,
ich fahre morgen ab, wenn du damit einverstanden bist.»
«Ja.»
«Den Rest
der Arbeit schafft ihr in zwei Tagen. Die Terrasse kann man auch so schon
benutzen.»
«Ja.» Sie
stand auf und stellte ihr Sherryglas ins Spülbecken. «Aber darf ich fragen,
warum? Ich meine, es ist wirklich nett hier mit dir.»
«Es ist
einfach besser, wenn ich fahre.»
«Na schön.
Was immer das Beste ist. Das Huhn braucht noch ungefähr zehn Minuten, wenn du
schon mal den Tisch decken willst.» Er rührte sich nicht vom Fleck.
«Den Song
hat Molly geschrieben», sagte er nach einer
Weile. «Ich hätte ihn nicht aufnehmen dürfen. Das war richtig schäbig von mir.
Bewusste, kalkulierte Schäbigkeit meinerseits.»
«Er ist
sehr traurig und schön. Was hättest du tun sollen? Den Text nicht verwenden?»
«Im Grunde
ja. Ihn nicht verwenden. Das wäre das Nettere gewesen.»
«Tut mir
leid mit euch beiden. Ihr wart ziemlich lange zusammen.»
«Ja und
nein.»
«Klar, ich
weiß schon, aber trotzdem.»
Er saß da
und grübelte, während sie den Tisch deckte, den Salat schleuderte und das Huhn
tranchierte. Sie hatte geglaubt, sie würde keinen Appetit haben, aber kaum
hatte sie sich das erste Stück Huhn in den Mund geschoben, merkte sie, dass sie
seit dem Abend zuvor nichts mehr gegessen hatte und dass sie seit fünf Uhr früh
auf den Beinen war. Auch Richard aß, schweigend. Nach einer gewissen Zeit
wurde ihr Schweigen greifbar und aufregend, dann, noch etwas später, mühsam und
entmutigend. Sie räumte den Tisch ab, stellte die Essensreste in den
Kühlschrank, spülte das Geschirr und sah, dass Richard sich auf die kleine, von
Fliegengittern geschützte Veranda zurückgezogen hatte, um zu rauchen. Die Sonne
war inzwischen untergegangen, aber der Himmel war immer noch hell. Ja, dachte
sie, es war besser, wenn er abreiste. Besser, besser, besser.
Sie trat
hinaus auf die Veranda. «Ich geh dann jetzt wohl mal ins Bett und lese noch ein
bisschen.»
Richard
nickte. «Klingt gut. Dann also bis morgen früh.»
«Die
Abende sind so lang», sagte sie. «Es will einfach nicht dunkel werden.»
«Ich fand's
hier richtig klasse. Ihr beide seid sehr großzügig.»
«Ach, das
hast du alles Walter zu verdanken. Mir ist es offen gestanden nicht
eingefallen, dir das anzubieten.»
«Er
vertraut dir», sagte Richard. «Wenn du ihm auch vertraust, renkt sich alles
wieder ein.»
«Tja, wer
weiß - vielleicht, vielleicht auch nicht.»
«Willst du
nicht mit ihm zusammen sein?»
Das war
eine gute Frage.
«Ich will
ihn nicht verlieren», sagte sie, «wenn es das ist, was du meinst. Ich denke
nicht die ganze Zeit darüber nach, ihn zu verlassen. Aber ich zähle schon
irgendwie die Tage, bis Joey endlich die Nase voll von den Monaghans hat.
Immerhin hat er noch ein ganzes Jahr Highschool vor sich.»
«Verstehe
nicht ganz, was du damit sagen willst.»
«Nur, dass
ich mich meiner Familie immer noch verpflichtet fühle.»
«Gut. Ist
ja auch eine tolle Familie.»
«Klar,
also, dann bis morgen früh.»
«Patty.»
Er drückte seine Zigarette in der dänischen Weihnachtsschale aus - einem
Erinnerungsstück von Dorothy -, die er
als Aschenbecher benutzt hatte. «Ich werde nicht derjenige sein, der die Ehe
meines besten Freundes zerstört.»
«Nein! O
Gott! Natürlich nicht!» Sie heulte fast vor Enttäuschung. «Ich meine, also
wirklich, Richard, entschuldige, aber was habe
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