Französische Nächte: Erotischer Roman (German Edition)
Der Blick, den ihm Derive zuwarf, hätte töten können.
»Wir sollten lieber in mein Büro gehen«, schlug der Bürgermeister vor.
Während sie die breite Treppe hinaufgingen, sah Paul ihre seltsame Gruppe auf einmal als eine Art absurde zeremonielle Prozession. Er warf dem Gangster einen Blick zu, doch dessen Augen wirkten leer und tödlich.
Sobald sie das Büro betreten hatten, setzte sich Derive hinter den riesigen Schreibtisch mit Lederbezug und zündete sich eine Zigarre an. Er bot Euska keinen Stuhl an, aber sie setzte sich trotzdem. »Ich werde direkt zum Punkt kommen«, sagte sie. »Entweder Sie lassen Oruela frei oder ich werde die ganze Geschichte über das, was mir durch Ihre Hand zugestoßen ist, an die Presse geben.«
Derive lehnte sich auf seinem Stuhl zurück. »Ich bezweifle, dass sich irgendjemand für eine derart alte Geschichte interessiert oder sie gar glaubt. Wir waren damals alle noch sehr jung und haben uns amüsiert, wie es junge Menschen nun mal tun. Ich habe dieses Amt in dieser Stadt jetzt schon seit sehr langer Zeit inne. Die Leute werden nicht glauben, dass ihr Bürgermeister ein Verbrecher ist, egal, was Sie ihnen auftischen.«
»Interessant«, entgegnete Euska. »Ich habe Ihnen noch gar nicht gesagt, wie ich Sie beschreiben würde, aber ›Verbrecher‹ trifft es schon ganz gut. Außerdem scheinen Sie offenbar nicht am Puls der Zeit zu sein. Umgeben Sie sich nur mit Speichelleckern oder hat Ihnen wirklich noch niemand gesagt, wie unbeliebt Ihre Politik ist? Diese neue Straße beispielsweise. Jeder weiß, dass Sie den Auftrag an Ihre Freunde verschachert haben. Das ist der perfekte Zeitpunkt für eine Zeitung, etwas aus Ihrer Vergangenheit zu veröffentlichen. Es wird der letzte Nagel in Ihrem Sarg sein.«
»Das ist lächerlich!«, rief Derive. »Die Zeitungen in dieser Stadt würden sich nie dazu herablassen …«
»Oh, ich würde mich nicht mit den kleinen Zeitungen abgeben«, unterbrach sie ihn. »Ich gehe ohnehin davon aus, dass Sie sie entweder in der Tasche haben oder dass sie unter Ihrer Knute stehen. Aber die nationalen Zeitungen werden …«
»Es wird Ihnen nicht leichtfallen, jemanden zu finden, der Ihre Geschichte bestätigt. Die großen Zeitungen werden es nicht wagen, eine solche Sache zu bringen, wenn Sie keine Beweise vorlegen. Und ich bezweifele, dass ihnen das Wort einer …«
Euska unterbrach ihn erneut. »Ich habe Zeugen«, sagte sie. »In den letzten Tagen habe ich mit einigen gesprochen. Everard war nie glücklich über diese Sache, und das wissen Sie. Selbst Pierreplat ist nervös geworden, seitdem Sie Norbert haben umbringen und meine Tochter lebenslänglich ins Gefängnis werfen lassen. Jeder wäre entsetzt über das, was Sie getan haben, mit Ausnahme Ihrer selbst. Sie sind widerlich! «
Derive zog sich an einem seiner Blumenkohlohren und verengte die Augen, als wären sie durch irgendeinen Mechanismus miteinander verbunden. »Ich habe Bruyere nicht umgebracht. Das war Ihre Tochter. Ihr Blut ist böse. St. Trou ist der einzig richtige Ort für sie!«
»Es ist nicht ihr Blut, das böse ist«, schrie Euska, »sondern Ihres. Sie hat nichts von Ihnen in sich. Ihr Vater war ein Junge aus Navarre. Ich war bereits schwanger, als Sie mich alle vergewaltigt haben!«
Paul spürte sowohl Zorn als auch Mitleid in seiner Brust aufsteigen, als er ihre Worte hörte. Er hatte so etwas schon die ganze Zeit vermutet, auch wenn sie es ihm nicht verraten hatte. Aber es schockierte ihn dennoch, als sie es aussprach.
»Dreckige Schlampe!«, sagte Derive. »Dreckige, verlogene Schlampe!«
»Das reicht«, brüllte Paul und machte einen Schritt vorwärts.
Der Gangster bewegte sich gleichzeitig nach vorn und schien kampfbereit zu sein. Paul warf ihm einen Blick zu.
Derive ignorierte sie beide. »Sie haben den armen Bruyere glauben lassen, dass sie seine Tochter wäre. Ich wusste die ganze Zeit, dass das nicht stimmt. Sie hat das Zeichen des Bösen an sich.«
»Er hat geglaubt, was seine Schuldgefühle ihn haben glauben lassen«, erwiderte Euska. »Und Sie vergessen eine Sache: Ich habe an diesem Abend nicht freiwillig mitgemacht. Sie tragen die Schuld daran. Sie, Bruyere und Pierreplat waren die Teufel. Wagen Sie nicht, es abzustreiten. Sie sind Abschaum! J’accuse! «
Paul sah, dass ihre Hände auf ihrem Schoß zitterten, und er wusste, dass sie ihre ganze Kraft aufbringen musste, um sich dem Mann zu stellen, der ihr Leben zerstört hatte. Aber sie hatte gewonnen.
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