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Franzosenliebchen

Franzosenliebchen

Titel: Franzosenliebchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Zweyer
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das
nicht.«
    Lisbeths Mutter
fixierte ihre Tochter mit strengem Blick. »Und jetzt
erzählst du uns alles, hast du gehört? Aber wirklich
alles.«

50
    Sonntag, 11. März
1923
    Der Samstag war
vergangen, ohne dass etwas passiert wäre. Die lähmende
Langeweile war nur dadurch unterbrochen worden, dass Goldsteins
Mahlzeiten durch die kleine Öffnung unten in der Tür
geschoben wurden. Und immer wieder beobachtete man ihn durch den
Türspion. Anfangs hatten ihn die Schritte auf dem Gang
erschreckt, die abrupt vor seiner Zelle stehen blieben, das leise
Scharren, das entstand, wenn die Metallplatte, die das Glas des
Spions verdeckte, beiseitegeschoben wurde. Als aber auch nach einem
guten Dutzend solcher Kontrollen die Zellentür nicht
aufgeschlossen wurde, um ihn zum Verhör zu holen, hatte
Goldstein begonnen, die Geräusche zu ignorieren. Auch das
Gefühl, ständig beobachtet zu werden, war ihm fast
gleichgültig geworden.
    Lange hatte er
darüber nachgedacht, ob er sich bei dem Verhör richtig
verhalten hatte. War es ihm gelungen, Solle aus allem
herauszuhalten? Oder wäre es besser gewesen, einfach gar
nichts zu sagen? Er versuchte, sich in die Rolle der Vernehmer zu
versetzen. Je mehr er grübelte, desto unsicherer wurde er.
Musste es die Franzosen nicht misstrauisch machen, dass er so
bereitwillig geredet hatte? Über diese Gedanken, die sich wie
ein Mühlstein in seinem Kopf drehten, schlief er
ein.    
    Der Sonntagmorgen
begann damit, dass seine Zelle geöffnet wurde und ein
mürrischer Kalfaktor Tee, Brot und etwas Haferschleim brachte
und frisches Wasser in eine verbeulte Aluminiumschüssel goss.
Zwei Minuten später war der Häftling wieder
allein.
    Er wusch sich
notdürftig und benutzte zum Abtrocknen sein Hemd. Dann schob
er den Holzschemel vor die Pritsche, deponierte auf dem Schemel das
karge Frühstück, setzte sich auf das Bett und begann zu
essen. Das Brot war trocken und schmeckte muffig. Er stippte ein
Stück in den Haferbrei und schob es sich dann in den Mund. So
war es einigermaßen genießbar. Der Tee verdiente die
Bezeichnung nicht, aber wenigstens war das Wasser warm.
    Die Stunden
verstrichen.
    Wieder wurde der Spion
geöffnet, wieder konnte Goldstein schemenhaft das Auge des
Beobachters erkennen. Aber nun hörte er, wie der
Schlüssel im Schloss gedreht wurde, die Tür ging auf und
ein Mann stolperte in die Zelle, Decke, Waschschüssel und
Wasserkanne in den Händen. Da es auf dem Gang draußen
hell, in der Zelle jedoch ziemlich finster war, konnte Goldstein
nur eine Silhouette ausmachen. Erst als die Wachen die Tür
wieder zugestoßen und sich Goldsteins Augen erneut an das
Halbdunkel gewöhnt hatten, erkannte der Polizist, wer da vor
ihm stand.
    Der andere war
anscheinend ebenso überrascht. Adolf Schneider hob müde
die rechte Hand.
    »Ich hätte
mir einen schöneren Ort für ein Wiedersehen mit Ihnen
vorstellen können«, sagte er zur Begrüßung.
»Ich hoffe, Sie sehen mir das nach, was im Pferdestall
passiert ist.
    Wir hatten ja keine
Ahnung …« Er ließ den Satz
unvollendet.
    Goldstein schossen
tausend Gedanken durch den Kopf. Das konnte doch kein Zufall sein,
dass die Franzosen ausgerechnet Schneider in seine Zelle sperrten.
War der Kerl möglicherweise ein Spitzel und sollte ihn
aushorchen? Er musste vorsichtig sein mit dem, was er
sagte.
    »Schon
gut.« Goldstein grinste gequält. »Willkommen in
meiner bescheidenen Behausung.« Er zeigte auf die freien
Liegen. »Unten, oben, wie Sie wollen. Sie haben die freie
Wahl. Vollpension gibt es auch. Nur der Ausblick ist nicht so
toll.«
    Schneider stellte sein
Essgeschirr neben das Goldsteins und schmiss seine Decke auf die
gegenüberliegende Pritsche. Dann griff er in seine
Jackentasche und zog eine Schachtel Zigaretten hervor.
»Rauchen Sie?«
    Goldstein
schüttelte den Kopf.
    Schneider steckte sich
eine Zigarette an und inhalierte tief. »Sind Sie schon
verhört worden?«
    »Ja.«
    »Sie sind wegen
Ihrer Attacke auf die beiden Franzmänner auf dem Bahnhof hier,
nicht wahr?« Schneider lachte leise auf. »Mit
bloßen Fäusten auf bewaffnete Soldaten. Was haben Sie
sich bloß dabei gedacht?« Er hüllte sich in Qualm.
Ȇber Sie sind Geschichten im Umlauf, das glauben Sie
kaum. Sie haben es allein mit einer halben Kompanie Soldaten
aufgenommen.« Er grinste breit. »Trotz feindlichen
Feuers über dem Bahnsteig und im Kugelhagel den behinderten
Mann befreit.« Schneider klopfte Goldstein anerkennend auf
die Schulter. »In den Augen

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