Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Franzosenliebchen

Franzosenliebchen

Titel: Franzosenliebchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Zweyer
Vom Netzwerk:
Geröll auszurutschen. Die
Kellertür war halb verbrannt und hing schief in der Zarge. Ein
Teil des Türsturzes fehlte. Freiliegende Armierungseisen
ragten in den Durchgang. Goldstein drückte die Reste der
Tür zurück. Die verrosteten Scharniere quietschten. Der
Keller bestand aus einem einzigen Raum. Verkohlte Bretter
ließen aber erkennen, dass es hier ursprünglich viele
Holzverschläge gegeben hatte. Es war dunkel und Goldstein
ärgerte sich, dass er sich keine Lampe besorgt und mitgenommen
hatte.
    Langsam gewöhnten
sich seine Augen jedoch an die Lichtverhältnisse und sein
Blick fiel auf die Lumpen, von denen im Bericht der Herner
Polizisten die Rede gewesen war. Die alten Kohlensäcke lagen
in einer Ecke im hinteren Teil des Raumes. Goldstein vermutete,
dass der ganze Keller gründlich durchsucht worden war.
Trotzdem unterzog auch er alles einer systematischen Inspektion.
Nach einer guten Stunde gab er auf. Er hatte keine neuen Hinweise
entdecken können.
    Goldstein
verließ den Keller, um durch den Haupteingang das Erdgeschoss
des Gebäudes zu betreten. Überall lag Schutt herum. Die
Holztreppe, die früher in die oberen Etagen geführt
hatte, war vollständig verbrannt. Ohne Leiter gab es keine
Möglichkeit, dort hinauf zu gelangen.
    Der Polizist nahm auch
jeden Erdgeschossraum gründlich in Augenschein, konnte aber
nirgends etwas Auffälliges entdecken. Schließlich wollte
er auch den letzten Raum resigniert verlassen, da fiel ihm zwischen
all dem Schutt etwas Blaues auf. Er bückte sich und schob den
Dreck beiseite: eine Zigarettenschachtel der Marke Nil. Goldstein
zog sein Taschentuch hervor und hob damit die Schachtel vom Boden
auf. Sie war kaum verstaubt und äußerlich
unbeschädigt. Lange konnte sie hier also noch nicht gelegen
haben. Der Polizist wickelte die Schachtel sorgfältig in das
Taschentuch und verstaute sie in seiner Jackentasche. Wiedemann
musste veranlassen, dass die Schachtel auf Fingerabdrücke
untersucht wurde.   
    Goldstein beugte sich
erneut nach unten und suchte den Boden ein weiteres Mal ab. Nun
fielen ihm einige Zigarettenkippen auf, sowohl Nil als auch Ova.
Und er bemerkte, dass einige Steinbrocken so gestapelt worden
waren, dass sie auch als Sitzgelegenheit benutzt werden
konnten.
    Hatte hier jemand
gewartet? Auf was oder wen? Die Stelle war nicht im Bericht seiner
Herner Kollegen erwähnt worden. Entweder hatten die Kollegen
sie übersehen oder ihr keine besondere Bedeutung
zugeschrieben. Möglich war auch, dass sich erst nach dem
Leichenfund jemand hier eingerichtet hatte. Und französische
Soldaten bevorzugten doch wohl sowieso eher die ihnen aus
Frankreich vertrauten Marken. Andererseits, waren in Herne
überhaupt französische Zigaretten zu bekommen? Er musste
unbedingt mit Wiedemann sprechen.
    Goldstein beschloss,
den letzten Weg der Toten bis zum Bahnhof Börnig
zurückzugehen.
    In dem unscheinbaren
Empfangsgebäude brannte Licht, als Goldstein den aus Schotter
aufgeschütteten Bahnsteig an der eingleisigen Strecke betrat.
Er ging bis zum Ende der Plattform und musterte die
Umgebung. Kein Zaun trennte das Bahnhofsgelände vom Unterholz,
das neben dem Gleis wucherte. Kleinere und größere
Büsche boten jedem, der nicht vom Zug oder Bahnsteig aus
gesehen werden wollte, vorzügliche Deckung. Es war also auch
nicht auszuschließen, dass der oder die Täter nicht in
der Ruine gewartet, sondern ihrem Opfer gleich hier aufgelauert
hatten.
    So in Gedanken
versunken, bemerkte Goldstein nicht, dass sich ihm ein
französischer Wachposten näherte. Der Mann hob seine
Stimme und rief auf Französisch: »Halt!
Ausweiskontrolle!«
    Goldstein schrak
zusammen, zwang sich dann aber zur Ruhe. Sein Ausweis hatte schon
einer Überprüfung standgehalten. Plötzlich hatte er
eine Idee. Vielleicht konnte er von dem Posten etwas erfahren.
Allerdings musste er dann französisch sprechen und würde
sich so möglicherweise verraten. Schnell schaute er sich um.
Kein anderer Franzose weit und breit. Der Soldat kam langsam
näher, den Karabiner locker über der Schulter. Der Mann
war klein gewachsen und untersetzt. Hätte ihm der Soldat
unbewaffnet gegenübergestanden, wäre Goldstein spielend
mit ihm fertig geworden. Er wog seine Chancen ab und beschloss, das
Risiko einzugehen. Also antwortete er auf Französisch.
»Guten Tag. Einen Moment.« Er griff in die Innentasche
seiner Jacke und zog das Dokument hervor. »Hier,
bitte.«      
    Der Soldat musterte
ihn erstaunt und warf nur einen

Weitere Kostenlose Bücher