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Franzosenliebchen

Franzosenliebchen

Titel: Franzosenliebchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Zweyer
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nach, wie er mit den
Franzosen ins Gespräch kommen konnte.
    Bevor er sich eine
Strategie zurechtgelegt hatte, stand der ihm bekannte Soldat auf
und wandte sich in Richtung Theke, um weitere Getränke zu
ordern. Dabei fiel sein Blick auf Goldstein.
    »Ah, Sie kenne
ich doch. Sie sind doch der Deutsche, der eigentlich ein halber
Franzose ist.« Er grinste breit. »Ja, genau. Das sind
Sie. Ein Halbfranzose.« Der Soldat wollte sich schier
ausschütten vor Lachen. Als er sich wieder etwas beruhigt hatte, fragte
er: »Haben Sie Ihre Schrauben wieder
gefunden?«
    Peter Goldstein
schüttelte den Kopf.
    »Kein Problem.
Warten Sie.« Der Mann drehte sich um und rief seinen
Kameraden zu: »Julian, kommst du bitte einen Moment zu
mir.« Dann wandte er sich erneut an Goldstein: »Mein
Kamerad hatte häufig Dienst am Bahnhof. Vielleicht hat er Ihre
Schrauben gefunden.« Er reichte dem Deutschen die Hand.
»Ich heiße übrigens Gilbert.«
    Goldstein nickte und
entschied sich für die französische Variante seines
Vornamens. »Mein Name ist Pierre.«
    Mittlerweile standen
die beiden nicht mehr allein an der Theke. Der Mann, der die
Annäherungsversuche der Prostituierten so brüsk
zurückgewiesen hatte, hatte sich zu ihnen gesellt.
»Oui?«, fragte er nun.
    »Julian, das ist
Pierre. Er spricht unsere Sprache perfekt, denn er hatte eine
französische Mutter. Pierre sucht nach Schrauben. Er glaubt,
er hat sie an diesem verdammten Bahnhof, an dem wir Dienst
schieben, verloren.« Gilbert kicherte. »Hast du dort
Schrauben gefunden?«
    Der Gefragte drehte
sich halb zur Seite und musterte Goldstein. Dann deutete er eine
Verbeugung an und reichte ihm die Hand. »Sergeant Julian
Solle«, stellte er sich förmlich vor. »Guten
Abend.«
    Goldstein musste sich
bemühen, nicht die Kontrolle über sein Mienenspiel zu
verlieren. In seinem Kopf überschlugen sich die Gedanken.
Julian Solle! Einer der beiden Mörder von Agnes Treppmann
stand ihm in einer heruntergekommenen Kneipe in der Herner
Innenstadt von Angesicht zu Angesicht gegenüber. Wie, um
Gottes willen, sollte er mit der Situation umgehen?
    »Angenehm. Darf
ich Sie zu einem Glas Wein einladen?«, fragte er.
    Glücklicherweise
nahm der Franzose die Einladung an. »Gerne. Sie vermissen
also Schrauben?«
    Angesichts des
ungläubigen Gesichtsausdrucks seines Gegenübers beeilte
sich Goldstein, darauf hinzuweisen, dass es sich um einen sehr
teuren Schraubensatz handelte, der speziell für einen Kunden
angefertigt worden sei.
    Zwanzig Minuten
später, Gilbert hatte sich längst wieder zu seinen
anderen Kameraden gesellt, standen Goldstein und Julian Solle noch
immer am Tresen und unterhielten sich angeregt. Natürlich
hatte Solle keine Schrauben gefunden, Goldstein aber zugesagt, dass
er im Wachzimmer auf dem Bahnhof nachsehen werde. Ansonsten hatten
sich die beiden Männer über die besten Rotweinlagen
Frankreichs und deutsche und französische Literatur
ausgetauscht. Solle wirkte nachdenklich, fast ein wenig
melancholisch. Goldstein musste sich immer wieder in Erinnerung
rufen, dass dieser nette, fast gleichaltrige Plauderer neben ihm
ein junges Leben bestialisch ausgelöscht hatte. Zu sympathisch
wirkte Solle.
    »Rauchen
Sie?« Solle bot ihm eine Zigarette an. Goldstein war nicht
wirklich verwundert, dass es eine Nil war. Er lehnte ab. Der
Franzose griff in seine Tasche, zog ein Zündholzbriefchen
hervor und zündete mit dem letzten Hölzchen die Zigarette
an. Achtlos warf er das leere Briefchen auf die
Theke.   
    »Julian«,
rief einer seiner Kameraden und hob sein Glas. »Hast du uns
vergessen?«
    Solle entschuldigte
sich bei Goldstein und kehrte an den Tisch zurück. Das war die
Gelegenheit! Goldstein zog sein Taschentuch und ließ die
Zündholzpackung darin verschwinden. Wenn er Glück hatte,
waren die Fingerabdrücke darauf identisch mit denen auf der
Zigarettenschachtel, die er in der Ruine sichergestellt
hatte.
    Goldstein trank in
aller Ruhe sein Glas leer, bezahlte, verabschiedete sich mit einem
Kopfnicken von den feiernden Franzosen und trat hinaus in die
Dunkelheit. Der Regen hatte aufgehört. Stattdessen war wieder
Nebel aufgezogen. Die Luft schmeckte nach Kohlenstaub. Goldstein
schlug seinen Kragen hoch und marschierte los, Richtung
Straßenbahnhaltestelle.
    Den Mann, der ihm mit
etwas Abstand folgte, bemerkte er nicht.

27
    Freitag, 23. Februar
1923 
    General Caron war
klar, dass die bisherigen Verhaftungen, die seine
Militärpolizei vorgenommen hatte, nicht viel mehr

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