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Franzosenliebchen

Franzosenliebchen

Titel: Franzosenliebchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Zweyer
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    Das aber war nicht so
einfach, wie er sich das vorgestellt hatte. Nach dem Attentat
hatten die Franzosen ihre Sicherheitsvorkehrungen verschärft.
Die Sprengstofflager auf den Schachtanlagen wurden Tag und
Nacht bewacht. Jede Entnahme aus den Lagern wurde penibel
protokolliert. Französische Ingenieure fuhren nach unter Tage
und überwachten sogar dort die Verwendung des
Sprengstoffs.   
    Nun stand Hermann
Treppmann beim Pförtner der Zeche Teutoburgia und wartete auf
das Ende der Mittagsschicht.
    Es war fast halb elf,
als er seinen Kollegen Otto Schmidt aus der Kaue kommen sah.
Schmidt war Schießmeister im Revier 12 und seit Langem ein
guter Freund Treppmanns.
    »Glück auf,
Hermann. Was machst du denn hier um diese Zeit?«
    »Ich habe auf
dich gewartet.«
    »Warum denn
das?«
    »Kann ich dich
ein Stück begleiten?«
    Die beiden Männer
entfernten sich zügig vom Zechentor.
    Schmidt bot Treppmann
eine Prise Schnupftabak an. »Siehst schlecht aus, Hermann.
Der Tod deiner Kleinen?«
    »Das
auch.«
    »Willst du
darüber sprechen?«
    »Eigentlich
nicht.«
    Für einige
Minuten gingen die beiden Bergleute schweigend durch die
Siedlung.
    Schließlich
meinte Schmidt: »Nun rück schon raus mit der Sprache. Du
schlägst dir doch nicht die halbe Nacht um die Ohren, nur um
mit mir nach Hause zu spazieren.«
    Treppmann atmete tief
durch. »Natürlich nicht.« Unvermittelt kam er zur
Sache: »Otto, kannst du mir Sprengstoff
besorgen?«
    Schmidt blieb abrupt
stehen. »Spinnst du?«
    »Nein, es ist
mir todernst.«
    »Willst du auch
eine Brücke in die Luft jagen?«
    »So etwas
Ähnliches.«
    »Schlag dir das
aus dem Kopf!«
    Hermann Treppmann
griff seinen Freund mit beiden Händen bei den Schultern und
sah ihm ins Gesicht. »Franzosen haben mein Mädchen
ermordet und sind freigesprochen worden. Der Gedanke, dass ihre
Mörder vielleicht nicht weit von hier unbehelligt durch die
Gegend laufen, macht mich fast verrückt. Das darf doch nicht
sein! Otto, verstehst du? Das darf nicht sein!«, wiederholte
er eindringlich.
    »Klar verstehe
ich dich. Aber ich kann dir nicht helfen.«
    »Warum
nicht?«, flehte Treppmann. »Du hast doch täglich
mit Donarit zu tun.«
    »Schon. Aber die
Franzosen passen auf wie die Luchse. Da ist nichts zu machen. Und
selbst wenn ich dir Sprengstoff und Zünder besorgen
könnte, würde ich es nicht tun. Du kennst dich mit dem
Zeug nicht aus. Der Umgang damit will gelernt sein. Du würdest
dich nur selbst gefährden.« Schmidt ging langsam
weiter.
    »Ich war selbst
lange unter Tage. Ich habe gesehen, wie die Schießhauer
Sprengungen vorbereitet
haben.«      
    »Das vielleicht.
Aber nie selbst geschossen. Nein, kommt nicht infrage. Sieh dich
an, Hermann. Du bist nur noch ein Schatten deiner selbst. Du hast
dich da in etwas verrannt. Die halbe Siedlung weiß
mittlerweile, dass du dich nach Waffen erkundigt hast. Du kannst
von Glück sagen, dass niemand den Franzosen einen Hinweis
gegeben hat. Dein Hass frisst dich auf. Geh nach Hause und
kümmere dich um deine Frau und deine andere Tochter. Sie
brauchen dich nötiger als Agnes. Lass die Toten ruhen.«
Er wandte sich ab. »Gute Nacht, Hermann.«
    Hermann Treppmann
blieb wie betäubt stehen. Tränen liefen ihm über das
Gesicht.

29
    Sonntag, 25. Februar
1923
    Die Glocken der
Kreuzkirche riefen die Gläubigen zum Gebet.
    Goldstein hatte im
Herbst 1917 zum letzten Mal eine Kirche betreten. Seine Kompanie
war damals zu einem Militärgottesdienst in einem durch
Granaten beider Seiten fast vollständig zerstörten
Gotteshaus befohlen worden. Einen Glockenturm hatte es nicht mehr
gegeben, ganze Abschnitte des Kirchendaches fehlten und auch von
den Bleiglasfenstern waren nur noch Reste vorhanden. Aber Teile der
Bestuhlung und erstaunlicherweise die Orgel hatten das Bombardement
fast unversehrt überstanden. Der Geistliche hatte in seiner
Predigt von Frieden und Glück gesprochen, was in vielen Ohren
wie blanker Hohn geklungen hatte, angesichts des tausendfachen
Sterbens um sie herum. Neben den Illusionen über glorreiche
deutsche Siege hatte Goldstein wie andere auch seinen Glauben auf
den Schlachtfeldern im Westen verloren. 
    »Warten Sie
schon lange?«
    Goldstein, ganz in
trübe Gedanken versunken, bemerkte Wiedemann erst, als dieser
ihn ansprach. »Nein, nur ein paar Minuten.«
    Der Platz vor der
Kirche hatte sich merklich gefüllt. Kleine Gruppen von
Gläubigen in ihrer Sonntagskleidung unterhielten sich leise.
Spielende Kinder wurden von

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