Fratzenmond: Katinka Palfys dritter Fall (German Edition)
zwei weitere Wagen.
»Jetzt wird’s kompliziert«, murmelte Katinka. Der Abend wäre sehr schnell zu Ende, wenn sie Hasseberg gleich zu Anfang aus den Augen verlieren würden.
An der Schranne bog der BMW nach links Richtung Kaulberg ab. Die Ampel sprang auf r ot. Britta und Ka-tinka kamen nicht mehr durch.
»Scheibenkleister«, motzte Britta. Sie schnappte nach einer weiteren Zigarette. »Sorry, ehrlich, aber ich bin eben noch Verfolgungsanfängerin.«
»Nein, nein, kein Thema!«, sagte Katinka. Sie wünschte sich, sie würde noch rauchen. Das Klicken des Feuerzeuges suggerierte Entspannung und Frieden. Unendlich kam ihr das Warten an der Kreuzung vor. Sie beobachtete die Busse, deren Innenbeleuchtung schwach durch die Düsternis sickerte. Der Verkehrslärm schien ihr eine dicke, matschige Kugel, die ihre Ohren verstopfte. »Einfach eine blöde Zeit, um jemanden an den Fersen zu bleiben.«
»In den Filmen klappt’s sogar zur Stoßzeit in New York«, lachte Britta.
Die Ampel schaltete auf Grün. Brittas Fiat kroch hinter einem Van den Kaulberg hinauf.
»Den haben wir verloren«, seufzte Katinka. »Ich hatte so gehofft, rauszukriegen, wo er wohnt.«
»Da wird’s doch noch andere Mittel und Wege geben«, gab Britta zurück.
»Du kennst wieder jemanden?«
»Jemanden, der einen kennt. So läuft das bei uns.«
»›Bei uns‹ heißt bei der Zeitung?«, fragte Katinka. Sie öffnete das Fenster einen Spalt, um den Rauch abziehen zu lassen. Schwarz und riesig wie eine Festung lag links von ihnen die Obere Pfarre. Katinka wunderte sich manchmal, wie viel Schönheit diese Stadt einfach am Wegesrand abgestellt hatte. Sogar im späten Oktober. Die Geschichte lag ganz beiläufig auf der Lauer, und sie wirkte zu jeder Jahreszeit. Katinka lehnte sich zurück und machte das Fenster wieder zu.
»Halt!«, schrie sie so unvermittelt, dass Britta zusammenfuhr.
»Was ist denn, verfl…«
»Halt hier an!«, rief Katinka. »Hier, sein Wagen steht vor den Domterrassen .«
Britta bremste und löste ein Hupkonzert hinter sich aus. Ungerührt ließ sie das Auto ein Stück zurückrollen.
»Alles dicht. Hier kann man nicht parken.«
»Ich bleibe im Wagen. Britta, bitte, geh rein und sieh dich um. Ist er da allein? Trifft er jemanden? Los, los, mach schon!«
»Wieso ich«, sagte Britta, öffnete die Tür und setzte den ersten Fuß auf die Straße.
»Mich kennt er. Britta, bitte!«
Katinka rutschte auf den Fahrersitz hinüber und trommelte auf das Lenkrad. Britta hatte die Zigaretten mitgenommen. Mist, dachte Katinka, aber besser so. Sie hätte unter Garantie nach einem Seelentröster gegriffen. Vorsichtshalber schaltete sie die Warnblinkanlage an. Ich bin so panisch, dachte sie. Meine Nerven machen diese Aktionen einfach nicht gut mit. Sie dachte an Idas Arbeitszimmer und den unbequemen Aufenthalt unter dem Sofa. An die unverhohlene Antipathie zwischen Sieglinde Unruh und Idas Großnichte Grit. An Alina Faber, allein in der Friedhofskapelle hinter ihren Kindern, und wie sie im Weinladen mit dem Weinglas in der Hand ihr Crostino zum Mund führte. So schnell taten sich die Abgründe in den Familien sonst nicht auf, dachte Katinka. In ihrem Job hatte sie meistens mit familiären Konflikten zu tun, aber hier wirkte alles viel diabolischer auf sie.
»Vielleicht liegt’s am Herbst«, dachte sie laut. »Diese frühe Dunkelheit saugt einem den Optimismus förmlich aus dem Leib.«
Eine Parklücke wurde frei. Katinka setzte den Fiat hinein und stellte den Motor wieder ab. Sie fragte sich, wie Britta ihre Aufgabe da drinnen in der Kneipe lösen würde. Sie sah sie vor sich, in ihrer ganzen Eleganz, wie sie mit halbgeschlossenen Lidern rauchend an einem Tisch saß, vor sich ein Glas Mineralwasser mit Zitrone, in einem Stadtmagazin blätterte oder auf ihrem Handy Snake spielte.
»Fahr!«
Hätte Katinka nicht im Auto gesessen, sie wäre aufgesprungen vor Schreck. So zuckten nur ihre Beine, und sie stieß sich die Knie unsanft am Steuer an. Britta fiel beinahe auf den Kopf, so schwungvoll sprang sie ins Auto. »Fahr!«
Katinka drehte den Zündschlüssel, fuhr an, würgte den Motor ab.
»O du fröhliche Schweinerei«, schrie Britta. »Fahr, dein Zielobjekt reiht sich gerade in den Verkehr ein.«
Ich Esel, dachte Katinka, drehte den Schlüssel wieder, gab Gas, heulend schoss der Fiat aus der Parklücke.
»Er hat sich mit jemandem getroffen«, sagte Britta. »Ein Typ, vielleicht Mitte zwanzig. Die beiden haben ein Bier getrunken, der
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