Fratzenmond: Katinka Palfys dritter Fall (German Edition)
aus dem Zimmer und durch die Haustür nach draußen. Als sie sich umdrehte, stand Hasseberg immer noch da und starrte ihr nach.
Britta stand an der Straßenecke und spielte mit ihrem Autoschlüssel.
»Wie ist es gelaufen?«
»Britta, du bleibst hier«, flüsterte Katinka. »Ich schleiche mich noch mal aufs Grundstück.«
»Dann musst du schon einbrechen«, grummelte Britta. Ihre Pumps waren klatschnass. Der Regen fiel dicht, ein scheußlicher Wind fegte die Nässe waagerecht über die Straße. »Bei dem Wetter kommt der heute Abend nicht mehr an die frische Luft.«
»Warte im Auto!« Katinka fixierte konzentriert das Haus. Hasseberg hatte hundertprozentig irgendwo Bewegungsmelder installiert. Sie entdeckte einen knapp unter der Dachrinne. Vorsichtshalber lief sie außerhalb des Zaunes zur Längsseite des Hauses. Auch dort gab es ein Hightech-Auge, doch Katinka schien der Winkel günstiger. Sie sah sich um, schwang sich über den Zaun und presste sich durch die Hecke.
Der Regen hatte das Fleece schon halb durchnässt. Arme Britta, dachte Katinka, während sie sich nahe am Boden bis zum Haus vortastete, die kriegt einen Schnupfen.
Es gelang ihr, die Rückseite des Hauses in Augenschein zu nehmen, ohne dass unerwartet Scheinwerfer aufleuchteten. Dort sah sie eine Terrasse, einen Pool, ohne Wasser, voller Herbstlaub. Die Gartenmöbel standen dicht gedrängt unter dem Vordach, provisorisch mit einer Plane bedeckt.
Dieses Haus ist größer als Idas, dachte Katinka. Die Familie muss nur so im Geld schwimmen.
Es hörte mit einem Schlag auf zu regnen. Katinka wagte nicht, die Terrasse zu betreten. Sie schnupperte. Ganz sacht roch sie Chlor. Irgendwo hier musste die Technik für das Innenschwimmbad sein.
Hassebergs planschen anscheinend gerne, dachte sie grinsend. Wenn man reich ist, muss man sich nicht mit Joggen fit halten. Laufen, der Sport der armen Leute. Sie ließ das Philosophieren sein und umrundete den Pool weiträumig, bis sie an dessen oberem Ende stand. Hier wuchsen Buchsbäume dicht an dicht. Sie hielt sich im Schatten und spähte zum Haus.
Eigentlich war sie zu weit weg, um etwas erkennen zu können, und zudem hatte der Regen ihre Brillengläser fast blickdicht werden lassen. Genervt wischte Katinka sie sauber und starrte dann auf die Panoramascheiben. Dahinter bewegte sich der Anwalt. Sein Schatten wurde in Abständen größer und kleiner. Mehr Licht ging an. Es leuchtete das Zimmer in warmem Orange aus. Katinka sah Hasseberg, der, seine Bierflasche in der Hand und ein Telefon zwischen Ohr und Kinn, langsam hin- und herging. Er schien ein entspanntes Gespräch zu führen, denn ab und zu lachte er. Dann ließ er das Telefon sinken und trat auf die Panoramafenster zu.
Katinka dachte nicht an Brittas Gerede von Zögerlichkeit. Sie handelte einfach und schnell. Sie sprang in den Pool. Auf dem nassen Herbstlaub aufkommend, rutschte sie aus und knallte unsanft auf die Seite. Sofort war ihre Jeans vollkommen nass. Zwar war das Wasser abgelassen worden, doch auf dem Boden des Beckens hatte sich Regenwasser angesammelt. Katinka kämpfte sich hoch und schlidderte den steilen Abhang in den tiefen Bereich des Pools hinunter. Sie stieß gegen etwas Metallisches. Der Deckel über dem Ablauf. Das Geräusch knirschte durch die Nacht.
Die Terrassentür wurde geöffnet. Sie hörte Hasseberg telefonieren.
»Na, hören Sie mal«, sagte er jovial und mit einem Lachen in der Stimme, »es ist die Hochzeit meines Sohnes. Da wird nicht gespart, das kann ich Ihnen versichern.«
Katinka drückte sich ganz in die Ecke. Ein Spalt, einen knappen Meter breit, durchzog die hintere Wand. Katinka spähte hindurch. Sie konnte irgendwelche Gerätschaften ausmachen und ein graues Etwas aus Lamellen.
Hassebergs Stimme kam näher.
»Im Rittersaal, richtig. Alles läuft wie am Schnürchen. 121 Gäste, punktgenau. – Wie? – Nein, meine Tochter Grit hat auch etwas gegen gerade Zahlen!«
Helles Licht flammte auf.
Keuchend schlüpfte Katinka durch den Spalt und landete auf der anderen Seite in knietiefem Wasser. O Himmel, dachte sie, den Schnupfen kriege auf alle Fälle ich.
»Bis Samstag dann.«
Nach einer kurzen Pause begann Hasseberg wieder zu sprechen.
»Roland hier. Ich wollte mich noch mal erkundigen. Das klappt mit der Kutsche?«
Kutsche im Oktober, dachte Katinka zähneklappernd. Ist ja die romantischste aller Hochzeiten. In dem engen Gehäuse musste sie gebückt stehen. Ihr Sichtfeld war eingeschränkt, aber sie
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