Frau Ella
eigentlich diese Kerle?«
»Komische Bande, oder? Das waren mal meine Freunde.«
»Und jetzt? Die scheinen Sie doch immer noch zu mögen.«
»Wenn das mögen ist, dann will ich von denen nicht nicht gemocht werden.«
»Ach kommen Sie«, lächelte Frau Ella. »Nachher verbieten Sie auch mir noch, Sie nett zu finden.«
»Nett?«
»Ja, nett. Sympathisch. Ehrlich. So ein Enkel wie Sie, das wäre was. Nur sollten Sie nicht alles so ernst nehmen. Das führt doch zu nichts.«
»Ich Ihr Enkel?«
»Ja, warum denn nicht?«
»Nicht so laut, bitte!«
Heute Abend hatte Frau Ella wirklich eine ordentliche Portion Gefühlsdusel getankt. Jetzt wollte sie nicht nur seine große Liebe zu Lina entdeckt haben und ihre Beziehung retten, sondern auch noch seine Großmutter werden! Fehlte nur, dass sie eine neue Mutter und ein paar Tanten für ihn auftrieb. Er würde einfach so tun, als habe er sie nicht verstanden. Schließlich konnte man so einen Großmutterschaftsantrag nicht einfach ablehnen, ohne jemanden zu verletzen.
»Sag mal im Ernst«, unterbrach Pete seine Gedanken und stellte zwei in Glas gefasste Tümpel auf den Tresen. Er hatte die Minze in kleine Stücke geschnitten, die jetzt wie Entengrütze auf dem Rum schwammen. Wie Schlamm lag der Zucker braun auf dem Boden der Gläser. »Also, wo is’n die Leinarin hin?«
Der Abend hielt offenbar noch einiges an Fallstricken, Schlaglöchern und Hinterhalten bereit. Den hatte Sascha ganz vergessen, diesen beschissenen Spitznamen für Lina, die hier schon vor seiner Zeit zum Inventar gehört hatte, wie ein Engel unter Wölfen, zumindest äußerlich. Hier hatten sie sich kennengelernt und, auch als sie längst bei ihm eingezogen war, fast jeden Abend noch den einen oder anderen Drink genommen. Was für eine Idee, ausgerechnet hier mit Frau Ella einzukehren! Er war ja vollkommen bescheuert.
»Keine Ahnung«, sagte er. »Du weißt doch, sie ist abgehauen, nach Spanien oder so.«
»Wieso denn abgehauen? Wollte die da nicht studieren?«, fragte Pete.
»Irgend so was mit Fischen«, schaltete sich auch Uwe jetzt wieder ein. Diskretion war immer noch keine Tugend, die an diesem Tresen allzu wichtig genommen wurde. Genau das hatte Sascha auch damals schon auf die Palme gebracht, wenn Lina hier nach dem dritten Drink selbst das Intimste zum Thema machte.
»Meeresbiologie«, sagte Riko.
»Sag ich doch«, sagte Uwe.
»Das ist doch wohl verdammt noch mal egal, warum sie abgehauen ist. Sie ist halt abgehauen, wollte ihre Freiheit, und basta«, sagte Sascha, der schon wieder die Geduld verlor.
»Ich dachte, sie wollte, dass du mitkommst«, murmelte Herbert.
»Als könnte ich hier einfach weg!«, rief Sascha.
»Stimmt, bei dem, was du so zu tun hast«, grinste Uwe.
Sascha wollte dieser weißhaarigen Ausgeburt an Böswilligkeit seinen Drink an den Kopf werfen, sehen, wie die Entengrütze sich auf seinem weißen Sakko verteilte, aber gerade noch rechtzeitig spürte er eine Hand auf seinem Unterarm.
»Jetzt lassen Sie sich doch nicht foppen, mein Junge«, hörte er Frau Ella sagen und sah sich zu ihr um. Sie hatte ihr Glas gehoben und wollte offenbar mit ihm anstoßen.
»Auf die Liebe!«, sagte sie so leise, dass die anderen es nicht hören konnten.
Da saß sie auf diesem Barhocker, der für sie einfach nicht bequem sein konnte, in diesen Luxusklamotten, die überhaupt nicht zu ihr passten, mit ihrem Seidenkopftuch, das selbst im schummrigen Licht der Kneipe schimmerte, und lächelte ihn mit ihrem glänzenden Auge an.
»Auf die Liebe«, flüsterte er und hoffte, dass die Musik laut genug war, damit sie den Kloß in seinem Hals nicht hörte. Er versuchte, nur Gutes zu denken.
13
SIE WACHTE AUF MIT DER ANGST, schon wieder verschlafen zu haben. Gerne wollte sie ein wenig länger im Bett bleiben als üblich, nur durfte er auf keinen Fall vor ihr auf den Beinen sein. Nein, denn ihr war nicht entgangen, wie er sich gestern gefreut hatte, an den fertig gedeckten Frühstückstisch zu kommen. Auch wenn ihre persönlichen Erfahrungen lange zurücklagen, sie wusste doch noch ganz gut, was Männer glücklich machte. Durch das Schlafzimmerfenster schien die Sonne, und trotz des leichten Schwindels im Kopf und der üblichen Schmerzen in Waden und Rücken freute sich Frau Ella beim Aufstehen auf den Tag, wenn nur Sascha nicht schon auf war!
Im Hof spielten Kinder, weit weg übte jemand Klavier. Vorsichtig drückte sie die Klinke der Zimmertür, zog diese langsam auf und sah erleichtert,
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