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Frau Ella

Frau Ella

Titel: Frau Ella Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Florian Beckerhoff
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dass Sascha noch schlief, auf dem Rücken, die Arme auf seine seltsame Art vor der Brust verschränkt und wieder bei geschlossenem Fenster! Sie schlich am Sofa vorbei, öffnete erst die inneren, dann die äußeren klapprigen Fensterflügel. Auch hier musste dringend geputzt werden. Da er mit nacktem Oberkörper schlief, überlegte sie kurz, ob sie ihn nicht besser zudecken sollte. Noch war es draußen recht frisch, und erkälten sollte er sich schließlich nicht. Nur durfte sie ihn auf keinen Fall wecken. Sie gab sich einen Ruck und zog ihm die Decke mit den Fingerspitzen bis unters Kinn, wunderte sich, dass die Wolle ihn gar nicht kratzte auf der nackten Haut. Sascha seufzte zufrieden. Sie ertappte sich dabei, wie sie ihn glücklich anlächelte. Ihm schien es gutzugehen, und sie hatte jetzt endlich Zeit, sich in Ruhe um ihren Darm zu kümmern. Leise wandte sie sich von dem Schlafenden ab und machte sich auf den Weg ins Badezimmer. Um ganz sicherzugehen, dass sie ihn nicht weckte, schloss sie vorsichtig die Tür zwischen Diele und Stube.
    Es dauerte eine Weile, bis sie auf der wackligen Klobrille eine gemütliche Position gefunden hatte. Fast musste man Angst haben, vom Klo zu fallen. Schon bei dem Gedanken daran wurde ihr ganz schlecht. Aber es ging dann doch. Wie lange war das her, dass sie einen Moment für sich gehabt hatte? Selbst gestern Abend, als sie endlich durchgesetzt hatte, dass sie nach Hause durfte, waren sie noch in dieser Kneipe gelandet! Natürlich war es schön gewesen, und immerhin hatte sie doch einiges über diese Liebesgeschichte herausfinden können, die Sascha so zu schaffen machte. Aber auch sie war irgendwann mit ihren Kräften am Ende und brauchte ihre Ruhe, obwohl sie nicht sicher war, was dieser Moment der Ruhe ihr jetzt bringen würde. Ihr Körper befand sich weiter im Ausnahmezustand.
    »Na komm«, sagte sie und hoffte, dass ihr Darm sie auch in diesen wilden Zeiten nicht gänzlich im Stich lassen würde. Schließlich hatten sie es jetzt fast neun Jahrzehnte ganz gut miteinander ausgehalten. Sie musste ihm nur Zeit lassen und freute sich wie schon bei ihren erfolglosen Versuchen der vergangenen Tage, dass Sascha einen Sinn für Klolektüre hatte. Zwar konnte sie ohne Brille kaum etwas lesen in den Magazinen und Büchern, die sich auf der Fensterbank stapelten, aber auch mit Bildern ließ sich die Zeit vertreiben. Sie streckte sich, so weit sie konnte, hoffte, dass die Klobrille die einseitige Belastung aushalten würde, und zog wahllos eine Zeitschrift aus dem Stapel. Dann suchte sie wieder ihre bequeme Ausgangsposition, atmete durch und blätterte in der Zeitschrift. Kurz fragte sie sich, was ein Unterwäschekatalog auf der Toilette eines jungen Mannes verloren hatte, doch schon wenige Seiten später fehlte selbst die Unterwäsche. Lauter sehr schöne, ja fast zu schöne Mädchen blickten sie von den glänzenden Seiten an. Sie hätte gerne die recht kurzen Texte gelesen, um zu verstehen, worum genau es in den Artikeln ging, was es für einen Grund dafür gab, dass die Mädchen ganz nackt waren. Vielleicht war es ja auch eins von diesen Schweineblättchen, wie Stanislaw sie genannt hatte. Sie konnte sich aber nicht vorstellen, was so etwas bei Sascha verloren haben könnte, außer vielleicht, dass er sich beruflich damit befassen musste. Hübsch waren sie jedenfalls, wie sie sich da am Strand räkelten und lächelten. Sehr jung waren die Mädchen, und alle erinnerten sie ein wenig an Lina. Vielleicht war ja ein Bild von Lina in der Zeitschrift! Das wäre eine Erklärung, nur konnte sie auch das ohne Brille natürlich nicht erkennen. Lina, die Sascha verlassen hatte und doch nicht verlassen hatte, wenn man den Kerlen in der Kneipe glauben konnte. Frau Ella verstand zwar nicht, warum eine junge Frau in Spanien studieren musste, wenn ihr Mann dort nicht auch etwas zu tun hatte, aber sie meinte doch, den Unterschied erkannt zu haben. Lina schien eher verreist zu sein, Sascha aber meinte, dass sie ihn verlassen hatte. Ein Missverständnis also, das sich doch problemlos klären ließ. Dann wären alle wieder glücklich und zufrieden, vielleicht sogar Sascha. Und da spürte Frau Ella, dass zumindest sie sich heute sehr viel wohler fühlen würde.
    Endlich in der Küche angekommen, summte Frau Ella erleichtert diesen alten Egon-Tango, wie auch immer sie sich an den erinnert hatte, während sie versuchte, die Kaffeekannenmaschine auseinanderzudrehen. Der Wassertopf stand gefüllt auf dem Herd,

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