Frau Ella
so dass sie nur noch die Flamme entzünden musste, sobald Sascha aufstand. Drei Eier lagen schon bereit, zwei für ihn, eins für sie selbst. Brötchen gab es noch vom Vortag. Die würde sie gleich aufbacken. Der Tisch war gedeckt, da klingelte es an der Tür. Jetzt musste sie schnell machen, damit nicht noch einmal geklingelt und Sascha geweckt wurde. Wahrscheinlich irgendein Hausierer, den sie zügig abwimmeln konnte, um endlich das Frühstück zuzubereiten. Denn Klaus und Ute hatten gesagt, dass sie heute keine Zeit hätten. Das war ihr sehr recht. Ein ganzer Tag ohne Unternehmung, zum Abschied, denn morgen würden sie endlich ihre Sachen aus dem Krankenhaus holen. So wohl sie sich hier fühlte, diese Situation war auf Dauer natürlich nicht haltbar. Erst einmal sollte Sascha aber ausschlafen. An der Wohnungstür angekommen, merkte sie, dass sie die Kaffeemaschine noch immer in den Händen hielt. Dann drückte sie ihr gesundes Auge auf den Türspion und erkannte Lina, die mit einem Strauß Blumen vor der Tür stand. Wenn das mal keine Überraschung war! Dann hatte es also geholfen, noch einmal auf die Liebe anzustoßen! Und jetzt schenkten sie ihr sogar Blumen! Frau Ella schob den Riegel zurück, drehte den Schlüssel, machte die Tür auf und signalisierte Lina, indem sie einen Finger auf die Lippen legte, dass sie leise sein sollte, um Sascha nicht zu wecken.
»Guten Morgen Lina«, flüsterte sie. »Kommen Sie rein. Er schläft noch. Ich mache gerade Frühstück.«
Lina lächelte und ging ihr voraus in die Küche, wo sie gleich auf einen der Stühle stieg und oben vom Schrank eine Vase holte. So gelenkig war Frau Ella schon lange nicht mehr. Sie hätte ihr Leben riskieren müssen, um an diese Vase zu kommen. Doch so war ja alles gut.
»Das war aber wirklich nicht nötig.«
»Wenn Sie wüssten, was der alles mit mir durchgemacht hat.«
»Er?«
»Na, Saatschi, wegen meinem Studium und so. Aber ich musste damals einfach auch mal an mich denken, wissen Sie?«
»Ja, sicher«, sagte Frau Ella. Die Blumen waren also für Sascha. Das hatte es früher nicht gegeben, dass Frauen ins Ausland reisten und dann mit Blumen bei ihren Männern vor der Tür standen, aber früher war schließlich so manches anders gewesen.
»Jetzt bin ich ja wieder da«, lächelte Lina, während sie Wasser in die Vase laufen ließ.
»Wollen Sie die Stiele nicht anschneiden? Und nehmen Sie besser lauwarmes Wasser.«
»Meinen Sie?«
»Dann halten sie länger.«
»Toll, was Sie so wissen. Ich habe ja gar keine Zeit mehr, diese ganzen Dinge zu lernen. Bei dem, was ich mir alles vorgenommen habe. Sie wissen schon, Arbeit, Familie, Freunde, Gesundheit und so weiter und so weiter. Spätestens wenn man Kinder hat, braucht man da doch fast schon Personal, finden Sie nicht? Aber das muss man sich natürlich erst mal leisten können.«
»Ich mache das ja ganz gerne. Zu Hause arbeitet man immerhin für sich selbst und nicht für irgendeinen Unternehmer oder was weiß ich wen«, sagte Frau Ella, die jetzt endlich ans Spülbecken konnte, um das Frühstück weiter vorzubereiten, während Lina die Blumen in der Vase richtete.
»Früher war das bestimmt normal, aber heute können wir die ganze Welt ja nicht mehr den Männern überlassen, also die Welt da draußen, meine ich. Nicht dass Sie jetzt denken, ich wäre so eine Feministin, aber die Männer sind ja gar nicht mehr in der Lage, das alles alleine zu machen. Die Grenzen verschwimmen da ja irgendwie, das zeigt sich schon in der Schule. Mädchen sind da oft viel besser als die Jungs, weil alles immer komplizierter wird und Männer halt besser einfache Sachen können, also nicht mehrere Dinge auf einmal, sondern zum Beispiel eine Maschine bauen oder ein Land erobern, so ungefähr jedenfalls. Das hat mit der Gehirnstruktur zu tun, sagt man. Wenn Frauen also wirklich komplizierter sind, dann muss man das deshalb auch als Vorteil sehen, weil man sozusagen als komplizierter Mensch auch besser mit komplizierten Situationen umgehen kann. Man muss sich da einfach noch viel besser ergänzen. Na ja, das hab ich mir jedenfalls so überlegt. Verstehen Sie das?«
»Ich habe auch den Eindruck, dass heute einiges komplizierter ist als früher.«
»Und deswegen muss man Zusammenhalten.«
Frau Ella fiel ein, dass sie gar nicht wusste, ob Sascha einen dritten Eierbecher besaß. Sonst würde sie auf ihr Ei verzichten. Erst einmal wollte sie aber im Schrank nachsehen.
»Was suchen Sie denn?«
»Einen dritten
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