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Frau Ella

Frau Ella

Titel: Frau Ella Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Florian Beckerhoff
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Mädchen und ließ sich auf ihren Stuhl fallen.
    »Okay, aber nur, weil Saatschi noch schläft. Sie müssen übrigens sagen, wenn ich zu viel rede, ja? Ich glaub, ich bin ganz schön aufgeregt, wieder hier zu sein. Da fang ich dann immer an zu quasseln.«
    »Sascha freut sich bestimmt. Aber jetzt gibt es gleich erst mal einen Kaffee.«
    Langsam glaubte Frau Ella, besser zu verstehen, warum die jungen Menschen heute so aufgedreht und durcheinander waren. Sie mussten sich einfach über alles Gedanken machen, nichts war mehr selbstverständlich. Was auch immer Lina ihr da gerade erzählt hatte, alles wirkte kompliziert. Wie sollte man sich auch um die wichtigen Dinge kümmern, wenn selbst das Leitungswasser nicht mehr sicher war und es anstelle eines
    Kaffees plötzlich zahllose Kaffees gab, zwischen denen man sich entscheiden musste? Es war ein wenig wie in der Villa der Wasserburgs vor dem Krieg, die alles gehabt hatten und doch nie glücklich waren, nur dass Sascha und seine Freunde natürlich fröhlich sein konnten und niemandem Böses wollten. Es schien eher so, als wollten sie sich selbst nicht immer Gutes. Wie war das wohl, wenn man sich über jeden Schritt Gedanken machte? Was wäre aus ihr selbst geworden? Plötzlich taten Frau Ella die jungen Menschen leid. Dabei war sie doch von ihnen gerettet worden. Jetzt fing sie auch schon an zu grübeln, stellte sie erschrocken fest und war froh, als endlich der Kaffee blubberte.
    »Also nur ein bisschen Macchiato?«
    »Ja, nur einen Löffel. Geht es Ihrem Auge übrigens besser?«
    »Alles in bester Ordnung. Ihre Freundin hat das Zeug zu einer tollen Krankenschwester.«
    »Auf jeden Fall. Ich glaub ja, dass die unbedingt einen Wurm braucht, so wie die sich um alles kümmert.«
    »Einen Wurm?«
    »Ein Kind, meine ich. Klaus hat ja ziemlich viel Geld. Also wenn Saatschi so reich wäre, würde ich auch nicht zögern, Karriere kann ich ja auch später noch machen, und wenn keiner mehr Kinder kriegt, dann gibt’s halt bald keine mehr. Ist ja logisch. Trotzdem natürlich ziemlich kompliziert alles, vor allem für uns Frauen.«
    »Ja, das Gefühl habe ich auch«, sagte Frau Ella und freute sich darüber, dass zwischen Sascha und seiner Lina anscheinend doch das Wesentliche stimmte, sonst käme man ja nicht auf die Idee, zusammen Kinder zu bekommen.

14

    SO SCHLECHT MEINTE ES das Leben gar nicht mit ihm. Den zweiten Morgen in Folge wachte er jetzt in dieser frischen Luft auf, den Geruch von Kaffee in der Nase, das Gefühl, dass sein Alltag Urlaub war. Plötzlich gelang es ihm, einfach zufrieden aufzuwachen, den Tag nicht wie eine Aufgabe zu sehen, die er irgendwie meistern musste, sondern wie einen Freund, mit dem er sich amüsieren konnte. Vielleicht war das ja das Lebensmodell, nach dem er suchte. Ältere Damen zur Pflege bei sich aufnehmen und unterhalten. Schließlich lag genug Vermögen in Strümpfen unter Matratzen versteckt, von dem sie ihm etwas abgeben könnten. Nicht viel, nur gerade genug, damit er für sie da sein konnte. Eine Omi-Pension ohne Pflegefälle. Er musste grinsen. Da überlegte er jahrelang, was er wirklich konnte, wozu er in der Lage war, was er der Welt zu bieten hatte, und plötzlich stellte er fest, dass er nur so zu sein brauchte, wie er war, um glücklich und erfolgreich zu sein. Denn auch wenn er nicht ganz verstand, warum, war ihm doch klar,
    dass Frau Ella gerne in seiner Gesellschaft war. Und er in ihrer. Das konnte ein nächster Schritt sein, ältere Menschen an jüngere zu vermieten, das hieße, Jung und Alt zusammenzubringen, als Agent sozusagen. Da war es endlich, das Geschäftsmodell, das so einfach war, dass man das Gefühl hatte, es sei gar keine neue Idee.
    Er sprang vom Sofa, blieb mit dem kleinen rechten Zeh am Couchtisch hängen, ertrug aber selbst diesen Schmerz vor lauter Aufregung und wühlte in seiner Schreibtischschublade. Endlich fand er den Rest einer Zigarette und Streichhölzer, machte auf dem Rückweg einen Bogen um den Couchtisch und setzte sich mit dem Gesicht zum Fenster auf die Lehne des Sofas. Er hatte seit Monaten morgens nicht mehr geraucht, aber jetzt, da sein Alltag endlich Urlaub würde, weil er sein Geschäftsmodell gefunden hatte, jetzt musste er einfach. Wie die Indianer keinen Frieden schließen konnten, ohne sich eine Pfeife anzustecken, so wollte er die inneren Kämpfe der Vergangenheit nicht hinter sich lassen und mit sich Frieden schließen, ohne zumindest eine halbe Zigarette zu rauchen.
    Der Himmel war

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