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Frau Holle ist tot

Frau Holle ist tot

Titel: Frau Holle ist tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roland Stark
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ungarischen Musiker?«
    »So sagen manche. Warum auch nicht«, antwortete Zora.
»Sie war lange genug allein, nach dem Tod ihres Mannes.«
    »Die Hochzeitsfotos von den beiden hab ich auch
gemacht«, erzählte Gucki. »Das war 1980, als ich den Guckkasten aufgemacht
habe, mein erster Auftrag. Zwei echte Rheingauer Gewächse, die beiden.«
    »Den Ferdinand Holler kannte ich von der GEW«,
ergänzte Zora. »Ein ganz lieber Kollege. Der Vater war auch schon Lehrer, die
Mutter stammte aus einer Fabrikantenfamilie aus Bingen. Ein Jammer, dass der
Ferdi so früh gestorben ist.«
    Hier kannte jeder jeden, dachte Mayfeld, bis in die
dritte oder vierte Generation. Voraussetzung war, dass man von hier kam und
kein Zugereister war wie er selbst.
    »Die Frau Holler war keine Eltvillerin«, sagte
Batschkapp, und fast klang es so, als ob in dieser Feststellung ein leichter
Tadel mitschwang.
    »Hier in Kiedrich gilt das kaum als Makel«, scherzte
Mayfeld.
    »Kam die nicht aus Lorch?«, fragte Batschkapp.
    »Jawohl«, antwortete Trude. »Eine Tochter von Johannes
Fromm vom Weingut Fromm. Wir waren zusammen im Ursulinenstift in Geisenheim.«
    »Gehört das Weingut nicht ihrem Bruder Georg?« Mayfeld
versuchte, das Gespräch in eine Richtung zu lenken, die irgendeinen Ertrag für
ihn abwerfen könnte.
    »Wohl eher der Bank«, widersprach Gucki. »Hinter
Rüdesheim ist Grund und Boden nicht so viel wert wie hier. Georg Fromm hat
viele Weinberge in Steillagen gehabt. Die hat er größtenteils aufgegeben, die
Bewirtschaftung war ihm zu teuer. Dabei hätte er dort einen charakteristischen
Wein erzeugen können. Aber Wein machen, das kann er nicht besonders gut, hat
mir ein Winzerkollege aus Lorch erzählt, für den ich Fotos für seinen
Internetauftritt gemacht habe. Jetzt kann es nur noch die Erbtante richten.«
    »Nach dem Sterben kommt das Erben«, bemerkte
Batschkapp.
    »Was für eine Erbtante?«, fragte Mayfeld.
    »So genau weiß ich das auch nicht. Ich hab nur gehört,
dass es in Wiesbaden eine reiche Verwandte gibt, die in einem Nobelaltersheim
vor sich hin dämmert. Wenn die mal stirbt, geht auf die Familie Fromm ein
warmer Geldregen nieder. Aber die Alte will und will nicht sterben.«
    Lisa brachte die Wildbuletten mit den Steinpilzen.
    »Wie alt bist du denn inzwischen?«, fragte Zora
Mayfelds Tochter mit einem Anflug von Hinterhältigkeit.
    »Fünfzehn«, antwortete Lisa grinsend. »Fragen Sie
wegen der Kinderarbeit? Papa sagt, bei Straußwirtschaften machen die Behörden
eine Ausnahme, wenn man zur Familie gehört. Und zu der gehöre ich, daran lässt
sich nun mal nichts ändern.« Lisa versuchte, den Gästen ein leidendes Gesicht
zu präsentieren. Dann besann sie sich anders. »Ich bin auf jeden Fall
freiwillig hier«, fügte sie beruhigend hinzu und ging zum nächsten Tisch, um
eine Bestellung aufzunehmen.
    »Wie wird denn der neue Jahrgang bei dir?«, fragte
Batschkapp.
    Mayfeld war dankbar für den Themenwechsel. »Der wird
großartig. Schlechte Jahrgänge gibt es ja so gut wie gar nicht mehr. Aber
dieser wird vermutlich noch besser als der 2003er, weil er genug Säure hat. Und
die Maifröste haben im Rothenberg wegen der Steillage keine Schäden
angerichtet.«
    »Was hat denn die Steillage mit der Temperatur zu
tun?«, wunderte sich Batschkapp.
    »Kalte Luft ist schwerer als warme Luft und fließt
nach unten ab«, erklärte Mayfeld. »Außerdem war die bessere Belüftung in dem
verregneten Sommer hilfreich, wir hatten keine Probleme mit Pilzbefall und
Essigfäule. Und der sonnige Herbst war die Krönung eines perfekten Weinjahres.«
    Sie sprachen eine Weile über die Weinjahrgänge der
letzten Zeit, über die Folgen der Klimaerwärmung für den Weinbau, über die
Qualität von Julias Küche und die diesjährige Pilzsaison. Über Sylvia Holler
und ihre Familie erfuhr Mayfeld an diesem Abend nichts Substanzielles mehr.
    ***
    Der Arm schmerzte, in seinem Kopf hämmerte und
brummte es. Was für ein beschissener Tag. Kevin saß in seiner Souterrainwohnung
im Märchenland, süffelte einen Energydrink und starrte auf sein Notebook. Er
hatte die Videos noch mal laufen lassen, sich die Visagen der Typen genau
angeschaut, sie mit den Fotos verglichen. Dann hatte er einen Zusammenschnitt
mit den entscheidenden Szenen und einige der Fotos abgeschickt.
    Bis heute Morgen war alles nach Plan verlaufen. Aber
mit der Zickigkeit von Annika hatte er nicht gerechnet. Mit ihrer blöden
Geschwätzigkeit auch nicht. Doch selbst wenn er damit

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