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Frau Holle ist tot

Frau Holle ist tot

Titel: Frau Holle ist tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roland Stark
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Mama log nicht.
    »Apropos Lügen. Du hast Mama erzählt, dass du Tante
Sylvia besucht hast. Aber meine Schwester ist tot. Woher weißt du das
überhaupt?«
    Basti trippelte unruhig hin und her.
    »Woher weißt du das? Antworte, wenn ich dich frage!«,
herrschte ihn Fromm an.
    »Nein!«, schrie Basti zurück. Der Fromm hatte ihm gar
nichts zu sagen.
    »Ich will, dass du zu mir nach Lorch kommst.«
    Bastis Gesicht brannte jetzt. »Nein, nein, nein!«
    »Warst du bei Tante Sylvia?«
    »Nein, nein, nein!«
    »Aber Mama hast du das gesagt.«
    »Nein, nein, nein.«
    »Hast du meiner Schwester etwas angetan?«, brüllte
Fromm.
    »Nein, nein, nein.«
    »Wer ist denn der Spast?«, fragte plötzlich eine
Stimme hinter ihm.
    Basti warf einen Blick zurück. Marie war aus dem
Schuppen gekommen und trat auf sie zu.
    »Wer ist denn das?«, fragte jetzt auch Fromm. Er
blickte zu Marie, dann zu Basti, dann wieder zu Marie. Ein böses Grinsen
schlich in sein Gesicht. »Ist das nicht das Mädchen, das vermisst wird?«
    »Das ist mein Mädchen«, schrie Basti. »Das nimmst du
mir nicht weg!«
    Fromm begann wieder zu brüllen. »Bist du jetzt völlig
übergeschnappt, du verblödetes Monster? Das ist ein Kind, die ist viel zu jung
für dich. Lass gefälligst deine dreckigen Pranken von dem Mädchen, dafür
wanderst du in den Knast oder ins Heim oder in die Psychiatrie.«
    »Nicht ins Heim, nicht ins Heim!«, rief Basti voller
Verzweiflung.
    »Ich hol die Polizei!« Fromm lachte triumphierend.
    Dich will ich schon packen, sprach
der Unhold.
    »Nicht die Polizei!«
    »Komm mit!«, rief Fromm Marie zu. Er wollte den Weg
zur Straße hinuntergehen.
    Das durfte nicht sein. Der Fromm wollte ihm Marie
wegnehmen und ihn ins Heim bringen. Das durfte der Fromm nicht. Nicht der Fromm
und auch sonst niemand.
    »›Nun hab ich dich‹, sprach der Junge, ›jetzt ist das
Sterben an dir‹«, brüllte Basti, schnappte sich eine Holzlatte, die an die Wand
des Hauses gelehnt war, und stürzte sich auf seinen Vater.
    Fromm wehrte sich, hatte gegen Basti aber keine
Chance.
    »Knüppel, aus dem Sack!«
    Basti schlug zu. Einmal, zweimal, dreimal, viermal …
Plötzlich spürte er, wie ihm jemand auf den Rücken trommelte.
    »Bist du völlig durchgedreht? Willst du den Typen
totschlagen?«, schrie Marie.
    Er schleuderte sie weg. Fünfmal, sechsmal, siebenmal …
    »Hör auf, du Idiot«, schrie Marie und hieb weiter auf
ihn ein. »Du bringst ihn um!«
    Achtmal, neunmal …
    Marie warf sich zwischen Basti und Fromm.
    »Hör auf!«
    Mädchen darf man nicht schlagen. Schon gar nicht eine
Königstochter. Basti hörte auf.
    Fromm röchelte. »Das wirst du mir büßen!«
    Marie stand auf und ging aus dem Weg.
    Zehnmal.
    »Basti, hör auf!«
    So hatte er Marie noch nicht kreischen gehört. Sie
schlug ihm ins Gesicht. Aber das brannte sowieso schon die ganze Zeit. Er ließ
von Fromm ab und packte Marie am Handgelenk.
    »Ich will nicht ins Heim. Komm, wir verstecken uns!«
    ***
    Mayfeld ging vom Parkplatz des Polizeipräsidiums
zum Haupteingang des Gebäudes, stieg die steinernen Treppen des ehemaligen
Heereslazaretts nach oben in den ersten Stock, wo sich die Abteilung für
Tötungsdelikte und verschwundene Personen befand.
    Er öffnete eine elektronisch gesicherte Panzerglastür
und ging den Gang entlang, den die Mitarbeiter des Architekturbüros Speer
gebogen konstruiert hatten, damit die verletzten und verstümmelten Soldaten des
Zweiten Weltkriegs nicht die Anmutung endlos langer Krankenhausflure bekamen,
während sie für zukünftige Schlachten fit gemacht wurden.
    In seinem Büro setzte er sich an den Schreibtisch. Auf
dem Tisch lag ein Zettel von Burkhard, dass Georg Fromm am Morgen seine DNA -Probe abgegeben, dass Knuth Schneider sich hingegen
abgesetzt habe.
    Die herbstlichen Sonnenstrahlen schienen auf die
»Kolonie unter den Nussbäumen«. Mayfeld ließ seine Gedanken schweifen, er
durchdachte alle Ermittlungen des heutigen Tages noch einmal. Er hatte sich
heute von der Hypothese leiten lassen, dass es einen Zusammenhang zwischen dem
Mord an Holler, dem Verschwinden Maries und dem Selbstmordversuch von Annika
gab. Das musste nicht so sein. Holler hatte es schließlich nur mit Kindern und
Jugendlichen zu tun, die Probleme hatten. Doch dass alles an ein und demselben
Tag passiert war und die Jugendlichen eine gemeinsame Vergangenheit hatten,
waren ihm ein paar Zufälle zu viel. Letztlich bewies das alles jedoch nichts.
Mayfeld glaubte zwar nicht an Zufälle,

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