Frau Holle ist tot
genau
wusste, warum. Aber Lachen machte Spaß.
Johannisberger Hölle, Kloster Johannisberg,
Johannisberg, Sieben Wegweiser, Hallgartner Zange, Kreistanne, Kasimirkreuz. Es
waren mehr Leute unterwegs als heute Morgen, aber weniger als am Sonntag.
Basti dachte eine Weile darüber nach, warum das so
war. Warum, warum, warum. Eigentlich konnte er die Frage nicht leiden. Warum
machten die Menschen, was sie machten? Viel lieber merkte er sich, wie sich der
Wald veränderte. Oder er merkte sich Märchen. Da wurde manchmal sogar erklärt,
warum Menschen und Tiere etwas machten. Mit dem Menschenverstehen war es schwer
für Basti.
Mapper Schanze.
»Vielleicht kann sich deine Freundin im Gebück
verstecken«, rief Basti.
»Keine so gute Idee«, antwortete Marie. »Bei der
Kälte.«
Da fiel es Basti wieder ein. Es waren jetzt mehr Leute
unterwegs, weil es Mittag war und wärmer als am Morgen. Basti machten Regen und
Kälte nichts aus, aber die meisten anderen Menschen nannten es schlechtes
Wetter und gingen dann nicht in den Wald.
»Hat deine Mutter kein Geld daheim?«, fragte Marie.
»Doch«, antwortete er. Sie hatte es in einem Tresor in
ihrem Schlafzimmer, und Basti wusste, wo der Schlüssel lag. »Soll ich es dir
zeigen?«
»Das wäre super!«
Er konzentrierte sich wieder auf das Fahren. Es war
schön, so ein Mädchen hinter sich auf dem Quad sitzen zu haben. Manchmal fuhr
er extra ein bisschen schneller, weil sich Marie dann fester an ihn klammerte.
Aber dann wurde er wieder langsamer, weil das Klammern unangenehm wurde. Es
juckte. Angenehm und unangenehm war das mit dem Mädchen hinter ihm. Auf jeden
Fall besser, sie drückte ihn, als dass er sie drückte. Er ging nicht so schnell
kaputt wie sie.
Förster-Bitter-Eiche, Rheinhöhenweg, Grüne Bank,
Elefantenbuche, Antoniuseiche. Schließlich kamen sie auf den Weg, der in das
Tal hinabging, dann auf den Parkplatz. Er fuhr weiter auf der Straße, die in
die Stadt führte.
An der Abzweigung zu seinem Haus stand ein alter
Mercedes am Straßenrand. Er wusste, wem das Auto gehörte. Er konnte sich alles
merken und erkannte das Kennzeichen. Der Fromm war da. Das war ihm gar nicht
recht.
»Zu Hause!«, rief er am Schluss ihres Ausflugs und
steuerte auf den Schuppen zu. Er öffnete das Schuppentor und fuhr das Quad
hinein.
»Bleib hier«, bat er Marie.
»Warum?«
»Weil darum. Ich schließ den Schuppen auch nicht ab«,
versprach er.
»Wär ja auch noch schöner«, entgegnete sie. Marie
wurde frecher. Aber sie tat, was er gesagt hatte.
Basti ging zum Haus. Da kam er um die Ecke, der Fromm.
Basti ballte eine Faust in der Tasche seines Anoraks.
»Lange nicht mehr gesehen, Sebastian.«
»Stimmt«, entgegnete Basti. »War gut so.«
»Na, das ist ja mal eine Begrüßung. Freust du dich gar
nicht, deinen Vater zu sehen?«
»Nö.« Immer schön ehrlich bleiben, hatte ihm Mama
beigebracht.
Fromm kam auf ihn zu, er stand jetzt ganz nah bei ihm.
Das durfte nur seine Mama. Und seit Neuestem die Königstochter. Der Fromm roch
noch wie früher. Er hatte Mama mal gefragt, nach was der Papa rieche. Damals,
als sie noch zusammenlebten und der Fromm ihn öfters verhaute. Nach Sprit,
hatte Mama geantwortet, nach Sprit und einer schwarzen Seele. Basti wich einen
Schritt zurück.
»Du brauchst Hilfe, mein Sohn.«
»Nö.«
»Doch, doch. Mama meint das auch.«
Basti spürte sein Herz schlagen. Er spürte, wie sein
Gesicht heiß wurde, und er ballte beide Fäuste.
»Du musst jetzt nicht wütend werden«, sagte Fromm und
wich ein paar Schritte zurück.
So nannte das Mama auch immer, wenn er die Fäuste
ballte: wütend werden. Manchmal benutzte er die Fäuste dann auch.
Sachte, sachte, mach dich nicht so
breit; so stark wie du bin ich auch, und wohl noch stärker!
»Ich habe mit Mama gesprochen. Ich habe sie im
Krankenhaus besucht. Wir verstehen uns jetzt wieder besser. Jetzt, wo Tante
Sylvia tot ist, muss die Familie zusammenhalten.«
»Du lügst!«, schrie Basti.
»Sie ist wirklich tot, Sebastian.«
»Ich weiß!«
»Ach ja?«
Bastis Gesicht wurde immer heißer.
»Ihr versteht euch nicht wieder besser!«
»Doch. Sie hat mich angerufen und mich gebeten, sie im
Krankenhaus zu besuchen. In der Not müssen Familien zusammenstehen. Mama macht
sich Sorgen um dich und hat gesagt, dass ich mich um dich kümmern soll.«
»Du lügst, du lügst, du lügst!« Basti war außer sich.
Das hatte Mama niemals gesagt. Nie im Leben geh ich zu dem zurück, hatte sie
damals gesagt, und
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