Frau Paula Trousseau
bekommen.«
»Gut. Ich überlegs mir. In einem halben Jahr haue ich sowieso aus der Stadt ab.«
»Dann bis nächsten Mittwoch, Paula. Halt die Ohren steif, Mädchen.«
»Bis Mittwoch.«
Paula stand auf, griff nach ihrer Tasche und wandte sich zur Tür.
»Hast du nicht etwas vergessen?«
Das junge Mädchen drehte den Kopf und sah die Frau fragend an. Da diese nichts sagte, sondern sie nur erwartungsvoll anblickte, war es für einen Moment still im Zimmer. Dann huschte ein ironisches Lächeln über Paulas Gesicht. Widerstrebend sagte sie: »Danke.«
»Keine Ursache, dafür bin ich doch da.«
12.
Heiligabend war ich allein und arbeitete bis in die späte Nacht am Porträt des Jungen, das am ersten Januar fertig sein musste. Das Ölbild der jungen Frau hatte ihr Ehemann am Vortag abgeholt. Er war zufrieden, sehr zufrieden. Er war so zufrieden, dass er, nachdem er die vereinbarte Summe auf den Tisch gelegt hatte, umstandslosmit mir ins Bett gehen wollte, obgleich er wissen musste, dass ich die Freundin seines Freundes sei, denn das wird Jan behauptet oder angedeutet haben. Vielleicht war es auch nur das Geld, der Vorgang des Bezahlens. Er hatte mir Geld hingelegt, ein Bündel Scheine vorgeblättert, die ich nicht nachzählte, sondern wortlos wegsteckte, und diese Geste in der Wohnung einer Frau besaß für ihn vermutlich eine Zweideutigkeit, vielleicht gar den Hauch einer Obszönität, was ihn bewog, das Bild seiner geliebten Ehegattin verschnürt unterm Arm haltend, mich zu belästigen. Oder es war die latente Verachtung der Künstler, der lasterhaften und würdelosen Bohemiens. Oder der Frau, die von Aufträgen lebt und allen Wünschen der Kunden zu folgen hat.
Ich wehrte mich nicht, ich sagte gar nichts, ich sah ihn nur verächtlich an, woraufhin er eine Entschuldigung murmelte und mit dem Bild verschwand. Aus meiner Wohnung und aus meinem Leben. Mit dem Frauenporträt war ich zufrieden, ich konnte es vorzeigen und hätte es mir gern für eine Ausstellung ausgeliehen, doch nun hing diese Arbeit bei einem Kerl, den ich nicht wiederzusehen wünschte. Dieses Bild war mir damit für immer verloren.
An den Weihnachtsfeiertagen arbeitete ich an dem Kinderbild und an Blumenaquarellen, einer Serie von Blättern, mit denen ich vor drei Monaten begonnen hatte. Mittags rief ich bei meinen Eltern an. Sie waren empört, weil ich nicht zu ihnen gekommen war, weil ich mich höchst selten bei ihnen meldete, weil ich meinen Mann und meine Tochter verlassen hatte, weil ich allein lebte.
»Ich wünsche euch auch ein schönes Weihnachten«, erwiderte ich nur. Dann fragte ich, wann sie nach Berlin kommen wollten, sie hätten doch einen Besuch in der Hauptstadt vorgehabt. Mutter versprach, darüber nachzudenken, doch Vater nahm ihr den Hörer aus der Handund sagte, er werde nicht kommen, er würde lieber nach Leipzig fahren, um sein Enkelkind zu sehen, um das ich mich nicht kümmern würde, wie er von Hans wisse. Ich wünschte nochmals ein schönes Weihnachtsfest, legte auf und ging in die Küche, um mir einen Tee zu machen.
Danach suchte ich die Telefonnummern von meiner Schwester und von meinem Bruder heraus und rief auch bei ihnen an. Cornelia freute sich, sie erzählte, dass sie über Neujahr mit Freunden in die Berge fahren wolle. Bei den Eltern werde sie vorbeischauen, aber keinesfalls bei ihnen übernachten, das sei ihr zu anstrengend. Sie wollte wissen, ob ich allein lebe, um mir dann zu erzählen, dass sie seit einem halben Jahr ein Verhältnis mit einem Automonteur habe, der sie wahnsinnig liebe und sie heiraten wolle. Sie überlege immerzu, ob sie sich scheiden lassen und zu ihm ziehen sollte. Ich gratulierte ihr.
Anschließend rief ich Clemens an, der im Nachbarort meiner Eltern mit einer älteren Frau zusammenlebte, mit einer Krankenschwester, die ihn vor Jahren betreut hatte. Als ich mich meldete, musste ich dreimal meinen Namen sagen, bevor er mitbekam, dass seine Schwester anrief. Dann brüllte er plötzlich jemand an, er solle die Schnauze halten, woraufhin lautes Stimmengewirr und Geschrei zu hören war. Danach wurde es ruhiger, er fragte, ob ich noch am Hörer sei, und beklagte sich dann über seine Frau und die Eltern. Bei einer weiteren Unterbrechung des Gesprächs verabschiedete ich mich und legte den Hörer auf. Er tat mir leid, er hatte eine denkbar schlechte Karte gezogen. Unglück färbt ab, ich vermied es, ihn zu treffen.
Am zweiten Feiertag ging ich mit Kathi und einem Freund von ihr essen. Heiner
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