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Frau Paula Trousseau

Frau Paula Trousseau

Titel: Frau Paula Trousseau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Hein
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war der Chef einer Berliner Kaufhalle, sie hatten sich bei einem gemeinsamen Lehrgang kennengelernt. Er war den ganzen Abend uns beidengegenüber sehr zuvorkommend und äußerst großzügig, mit Kathi ging er überaus vertraut um. Als er einmal verschwand, sagte mir Kathi, dass sie sich vorstellen könne, mit ihm zusammenzuleben, er aber leider verheiratet sei. Sie würden sich nur ab und zu sehen. Kurz vor Mitternacht sagte ich, ich müsse gehen, da ich viel zu tun hätte und früh aufstehen müsste. Heiner bestand darauf, dass wir zum Abschied noch einen Cognac und einen Kaffee trinken. Er sagte, er würde mich mit einem Taxi nach Hause bringen, aber zuvor sollten wir mit ihm in seine Wohnung kommen, er hätte noch eine Überraschung für uns, einen kleinen Weihnachtsmann. Kathi kreischte auf, ich lehnte dankend ab, und Heiner war plötzlich sehr aufgebracht. Er verlangte, dass wir mit ihm kommen, er wolle einen Abend zu dritt, so sei es vereinbart, und er akzeptiere keine Zickigkeiten. Kathi wurde verlegen und versuchte, ihn zu beruhigen, aber es war nicht zu übersehen, dass sie tatsächlich irgendetwas abgemacht hatte, dass sie mich verschachern wollte. Ich stand auf und ging zur Garderobe, Kathi kam hinterher, entschuldigte sich für ihren Freund und sagte, ich solle doch keine Spielverderberin sein. Es sei ja nur ein Spaß, alles würde nach unseren Vorstellungen und Wünschen ablaufen.
    »Ich erfülle mir gerade einen Wunsch, Kathi«, sagte ich, »indem ich nach Hause gehe. Und zwar allein.«
    Ich ließ sie stehen und ging rasch hinaus, um noch eine U-Bahn zu bekommen. In meinem Waggon saßen nur Angetrunkene und eine Familie mit vier völlig übermüdeten Kindern. Ich starrte in die blinden Glasscheiben auf der gegenüberliegenden Seite. Frohe Weihnachten, Paula, sagte ich zu mir.
    »Fröhliche Weihnachten«, erwiderte einer der Angetrunkenen freundlich und nickte mir zu. Ich hatte wohl laut vor mich hin gesprochen.
13.
    Mitte Januar bekam ich einen weiteren Auftrag, ich sollte ein großes Ölbild von einem Bauernhaus malen, dem schlesischen Elternhaus des Auftraggebers, von dem er mir nur drei vergilbte Schwarzweißfotos geben konnte. Er überließ mir die Bildgestaltung, und so begann ich mit den Skizzen zu einem Landschaftsbild, bei dem ich mich von den Fotos anregen ließ, ihnen jedoch nicht sklavisch folgen musste. Das alte Haus sollte der Mittelpunkt des Bildes werden, sich aber vollkommen in die Landschaft fügen, in deren Struktur und Farben. Das Bild, stellte ich mir vor, sollte von Bäumen und Wiesen bestimmt sein und das Haus wie ein Teil der Landschaft wirken, gewachsen und naturhaft. Bei dieser Arbeit war ich von Beginn an zufrieden, es war ein Bild, von dem ich träumen konnte.
    Drei Wochen später fragte ein Verlag bei mir an, ob ich bereit sei, ein Märchenbuch zu illustrieren oder vielmehr eine Geschichte in einem Märchenbuch. Es handelte sich um eine Sammlung europäischer Märchen, vierundzwanzig verschiedene Geschichten aus vierundzwanzig Ländern, und jede Geschichte sollte von einem anderen Künstler illustriert werden. Man bat mich, Arbeiten vorzulegen, und ich brachte umgehend eine dicke Mappe von Skizzen und Aquarellen in den Verlag. Nach wenigen Tagen bekam ich einen Anruf, ich konnte mir meine Mappe wieder abholen und erhielt den Auftrag für zwei Blätter und einige Vignetten. Die Lektorin, Gerda Heber, sie war eine Bekannte von Jan, sagte mir, dass meine Arbeiten Eindruck gemacht hätten. Wenn ich den kleinen Auftrag zur Zufriedenheit der Cheflektorin ausführe, könne ich noch in diesem Jahr den Auftrag für ein komplettes Kinderbuch erhalten.
    Jan hatte mir Glück gebracht. Ich bekam mit seinerHilfe ein paar Aufträge, ich war jetzt sicher, dass ich es schaffen würde, so sicher, wie ich es vor dem Studium war.
    Jan meldete sich ab und zu. Er lud mich gelegentlich zum Essen ein, manchmal ging ich mit ihm in einen seiner geliebten Filme, und einmal im Monat erschien er, um sich meine neuesten Arbeiten anzusehen. Er war auf die freundlichste Art aufdringlich, er warb regelrecht um mich, ohne mich zu bedrängen, und wenn ich ihn nachts mit einem Kuss vor meiner Haustür verabschiedete und heimschickte und er mit traurigen Hundeaugen genau das tat, was ich von ihm verlangt hatte, war ich kurz davor, ihn zurückzurufen und mit ihm zu schlafen. Nicht, weil ich es wollte, allein seinetwegen. Und wenn ich in meiner Wohnung war und die Tür hinter mir verschlossen hatte, war ich

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