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Frau zu sein bedarf es wenig: Roman (German Edition)

Frau zu sein bedarf es wenig: Roman (German Edition)

Titel: Frau zu sein bedarf es wenig: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
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Zier, die nette Sopranistin, sang strahlend mit, auch Baldur Aladin lieferte brillante Gesangseinlagen und Anekdoten aus dem Milieu. Einzig Schweinebacke fand das alles unter seiner Würde und stand kopfschüttelnd in der Ecke. So was Profanes wie wir aber auch! Da gab man sich zwei Stunden lang Mühe, unantastbar und überirdisch einherzuerscheinen, und dann kam diese Pauline Frohmuth daher, verbündete sich mit einem Wald-und-Wiesen-Geiger, einem namenlosen Mitwirkenden aus der grauen Masse Orchester, und ließ den Honoratioren gegenüber schamlos durchblicken, dass wir alle nur Menschen seien! Ge-schmack-los!!! Jedenfalls verdrückte sich Werner Wildebold, der Kavalier, irgendwann unauffällig. Mitsamt meinem Übernachtungsgepäck im Kofferraum. Ein feiner Mann, ein wahrer Freund, ein hochsensibler Künstler durch und durch. Ich traf ihn später immer wieder gern.
    Als der Morgen graute, war nur noch der harte Kern im Saal. Dazu gehörten der Geiger, die nette Antje Zier, ein schlaksiger Kontrabassist aus Wien, ein bärtiger Flötist und drei Chorsänger. Da wir fanden, dass jetzt ein bisschen frische Luft nottäte, zogen wir Arm in Arm fröhlich singend durch die Stadt. Es war wie früher auf Klassenfahrt: Uns kann keiner, wir lieben uns alle, wir machen die Nacht zum Tage, und die Luft knistert vor Übermut.
    O sel’ge Jugendtage, o du selige, fröhliche Zeit! Endlich übermannte uns die Müdigkeit. Man wankte fröhlich in die Privatquartiere. In dem Moment fiel mir ein, dass ich überhaupt kein Quartier hatte! Schweinebacke hatte sich ja längst verdrückt! Ein Mann wie er pflegt es sich nämlich nicht bieten zu lassen, dass Frauen, die er aus purer Freundlichkeit in seinem schwarzen Aufreißerschlitten mitnimmt, dann hinterher mit Tuttigeigern herumalbern. Wenn das jede machen wollte.
    Los, Pauline, jetzt! Sag es dem Geiger ins Ohr! Das ist eine deiner letzten Chancen, bevor du endgültig im Hausfrauenmorast versunken bist!
    Mein Schweinehund war plötzlich wieder hellwach. Er wollte unbedingt mit dem Schweinehund des Geigers zusammen in dessen Hütte krabbeln und dort Spaß haben.
    Kind, der Mann ist ein anständiger Geiger. Bestimmt hat der gar keinen Schweinehund. Und wenn doch, dann sollst du keine schlafenden Schweinehunde wecken! Lass ihn gefälligst in Ruhe!
    Paulinchen war allein zu Haus, die Kinderfrauen beide aus! Die Zündhölzlein lagen griffbereit, kein Moralapostel weit und breit! Los! Jetzt oder nie! In fünf Jahren guckt dich keiner mehr an! Kein Geiger und kein Sänger nicht!!
    So ging das Gerangel um mein bisschen Moral noch eine Weile hin und her.
    Plötzlich sagte Antje Zier: »Hast du eigentlich Quartier?«
    »Nein«, sagte ich, »hab’ ich ganz vergessen!«
    »Dann komm doch mit zu mir!«, sagte Antje.
    »Oder zu mir!«, sagte der Geiger.
    Die Anderen standen im Halbkreis um uns herum.
    Geh mit der netten Sopranistin, sagte Tante Lilli.
    Geh mit dem netten Geiger, sagte der Schweinehund.
    Ich blickte von einem zum andern. Sündjen oder nischt sündjen, das ist hier die Frage.
    Die Anderen folgten interessiert meinen inneren Regungen.
    Kind, du weißt ja, du hast zu Hause deine Verpflichtungen.
    Plötzlich dachte ich an mein pausbackiges Paulchen. Das lag jetzt im fernen Chalet von Belves-en-Petitcoat, träumte einen Milupa-Traum und hatte Sehnsucht nach seiner Mama.
    Ganz klar. Paulchen musste ich treu sein. Der würde mir den Geiger nie verzeihen, nie. Das kapierte sogar der Schweinehund. Errötend zog er den Schwanz ein, zwinkerte dem Schweinehund des Geigers auf Verdacht noch einmal unauffällig zu und verschwand anstandslos in seiner Hütte. Und damit er im Laufe dieser Tournee nicht wieder rauskommen konnte, zog Tante Lilli eigenhändig den Schlüssel ab.

Antje und ich verplauderten den Rest der Nacht. Jede von uns bemühte sich mithilfe der gut trainierten Bauchmuskeln, nicht in die Mitte des Bettes zu rollen, wie das ja von den Franzosen für gängigere Benutzer-Konstellationen beabsichtigt ist.
    Natürlich konnte ich überhaupt nicht an mich halten und erzählte ihr innerhalb von zwanzig Minuten mein ganzes Leben, insbesondere mein momentanes, außergewöhnliches, egoschweinmäßiges Dasein auf Kosten meines Kindes und meines Kindsvaters.
    »Alles nur um der verdammten Karriere willen!«, beendete ich meine Beichte.
    Antje Zier wunderte sich: »Warum hast du denn so ein schlechtes Gewissen? Ich habe sogar zwei Kinder und mache trotzdem Karriere!«
    »Und einen Kindsvater?«,

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